Stimmen
bestimmte Dinge für ihn zu erledigen und führe in seinem Auftrag Besprechungen durch. Es ist diese Art von Verhältnis.«
»Wie spannend…« Sie hob die Hand. »Sandaji wird ganz bestimmt wissen, was sie ihm zu sagen hat.«
Durch das Esszimmer waren sie in den hinteren Teil des Hauses gelangt, wo er eine Veranda entdeckte. Zwei Frauen saßen dort reglos in der warmen Dunkelheit auf Korbsesseln und blickten ihn, als er vorbeiging, mit leuchtenden Augen an. Einen Moment lang konnte er sich fast vorstellen, dass sie lange Seidenkleider trugen, was er einerseits als bezaubernd, andererseits als verwirrend empfand.
»Wissen Sie, was unser größtes Problem ist?«, fragte Jean Baslan. »Anträge abzuschmettern. Heiratsanträge, wohl gemerkt. Die Männer, die Sandaji aufsuchen, finden so viel Trost bei ihr. Aber natürlich ist sie auch schön, sogar sehr schön, und das bringt viele aus der Fassung.«
Peter antwortete darauf, er freue sich zwar darauf, Sandaji kennen zu lernen, allerdings habe er nie ein besonderes erotisches Interesse an älteren Frauen entwickelt.
Das Haus wirkte irgendwie unvollendet und in den hinteren Räumen eher so, als würde es von einer Großmutter aus der Mittelschicht statt von einer sehr wohlhabenden Tante bewohnt. Jenseits des Esszimmers fehlten die Antiquitäten; die Tische, Sofas und Sessel waren jüngeren Datums. Das Dachgebälk und die Türpfosten wiesen immer noch die Farbschichten von Jahrzehnten auf, ihr Holz war, anders als in den renovierten Teilen des Hauses, nicht abgeschliffen.
Das Erste, was Peter auffiel, als Jean Baslan die letzte Tür öffnete, war der Geruch nach gerade zerriebenen Kräutern, nach Thymian, Rosmarin und Minze. Aromatherapie, dachte er. Ach, wie schön.
Sandaji strich ihr dunkles Samtgewand über den Hüften glatt; offenbar hatte sie sich gerade von dem einfachen Holzstuhl erhoben. Peter war von ihrem Anblick so gefangen genommen, dass er das Zimmer zunächst gar nicht bewusst wahrnahm. Als er sich später an den Raum zu erinnern versuchte, fiel es ihm schwer, sich die Einrichtung ins Gedächtnis zu rufen. Das übrige Haus stand ihm deutlich vor Augen, aber von dem Moment der Begegnung an erinnerte er sich eigentlich nur noch an die Frau. Sie war mehr als einen Meter achtzig groß und hatte eine üppige Mähne lockigen, bereits ergrauten Haars, das ihr bis zur Taille herunterfloss und von Spangen und einem Band gebändigt wurde. Das schwarze Gewand reichte ihr bis zum Knöchel, darunter war sie barfuß. Ihre Füße waren knochig, aber wie alles an ihr schön geformt. Die Hüftknochen stachen hervor, obwohl sie nicht besonders dünn war. Die Rundung ihres Bauches war deutlich zu erkennen, was jedoch keineswegs störend wirkte. Unter dem Gewand zeichneten sich schwach die Warzen ihrer nicht gerade kleinen Brüste ab.
Während Peters Blick von den bloßen Füßen bis zu den Schultern wanderte, bekam er den Eindruck, er habe eine junge, gertenschlanke Studentin vor sich. Doch als Sandaji ihm den Kopf zuwandte, sah er eine reife Frau, sicher schon älter als fünfzig, doch bestimmt nicht in den Siebzigern. Ihre aufmerksamen Augen ruhten in einem Gesicht, das nur leicht, aber deutlich wahrnehmbar von den Erfahrungen eines ganzen Lebens geprägt war. Ihre Lippen, auch ohne Lippenstift immer noch voll und rosig, verzogen sich zu einem wissenden Shirley-Temple-Lächeln. Sie wirkte zwar weise, aber auch schelmisch, so als freute sie sich auf einen netten Spielgefährten. Durch ihr Verhalten nährte sie die Vorstellung, man könne sie für sich einnehmen und engere Freundschaft mit ihr schließen.
Er musterte sie erneut von oben bis unten. Das schwarze Gewand verhüllte einen gepflegten, gesunden Körper, der mehr als rein spirituelle Belohnungen versprach. Offensichtlich genoss sie das Gefühl, ihm zu gefallen.
Peter hatte in seinem Leben schon viele schöne Frauen kennen gelernt. Ihm war klar, was sie erwarteten, welche Regeln des charmanten Umgangs sie für all ihre Beziehungen mit nicht Gleichgestellten geltend machten. Dennoch hatte er irgendwie das Gefühl, dass seine Erfahrungen ihm im Umgang mit Sandaji wenig nützen würden.
»Das hier ist Peter Russell«, verkündete Jean Baslan. »Er kommt im Auftrag von Mr. Jospeh Adrian Benoliel.«
Sandajis Augen wurden so schmal wie die einer Katze, die sich auf die Lauer legt. »Wie geht es Mr. Benoliel?«, fragte sie und sah auf den Tisch. »Schade, dass wir uns heute Abend nicht persönlich begegnen. Soweit
Weitere Kostenlose Bücher