Stimmen
die er nicht ausleuchten lassen wollte.
Sie blickte zu einer Stelle links von ihm und lehnte sich gleich darauf zurück. »Ihre Tochter…« Die Falte zwischen ihren Brauen vertiefte sich.
Peter versteifte sich so, dass sein Nacken ihm wehtat. »Nach meiner Tochter habe ich nicht gefragt.«
Sandaji, die jetzt erregt wirkte, öffnete und schloss die Hände und faltete sie schließlich im Schoß, wobei sich der schwarze Samt kräuselte. »Ich kann Ihnen versichern, dass ich keine Hellseherin bin, Mr. Russell.«
»Ich bin im Auftrag von Mr. Benoliel hier. Warum erwähnen Sie meine Tochter?«
»Bitte stellen Sie… Ihre Frage.« Mit selbstkritischer, finsterer Miene blickte Sandaji an die Decke. »Es tut mir wirklich Leid. Ich wollte mich nicht aufdrängen. Bitte verzeihen Sie mir.«
Auch Peter blickte zur Decke hinauf, über die Licht spielte, als reflektierte sie eine Wasserfläche, die sich irgendwo im Zimmer befinden musste.
Als Sandaji sich bewegte – besser gesagt hochfuhr –, verschwand das Licht.
All das, dazu noch die Erwähnung seiner Tochter und Sandajis unerwartetes Missbehagen, machten Peter nervös. Mit einem Mal wirkte das Haus nicht mehr einladend, und auch Sandajis Zauber war verflogen. Plötzlich sah sie so zerbrechlich aus wie angeschlagenes Porzellan.
Zeit, diese Farce hinter mich zu bringen.
»Bitte«, drängte Sandaji, »stellen Sie Ihre Frage.«
»Mr. Benoliel möchte wissen, ob ein Mann ohne Seele leben kann.«
Sie senkte den Blick, sah über seine Schulter und wandte sich ihm langsam wieder zu. »Er möchte wissen, ob ein Mann… « Die Falte zwischen ihren Brauen vertiefte sich zu einem düsteren Tal. Ihr wirkliches Lebensalter zeichnete sich nun deutlich in ihren Zügen ab, sie wirkte sogar noch älter, als sie war. »… ohne Seele leben kann?«
»Nein«, berichtigte Peter sich, allmählich völlig durcheinander. »Eigentlich hat er jemand gesagt. Nicht ein Mann, sondern jemand.«
»Verstehe«, sagte Sandaji, als wäre es die natürlichste Frage der Welt. Peter blinzelte. Einen Augenblick lang schien ein Schatten den Raum zu füllen, über die Wände und die Zimmerdecke zu gleiten und sich dann hinter den Möbeln zu verstecken.
Sandaji hörte auf, ihr Kleid glatt zu streichen, sie wirkte schockiert und verängstigt. »Entschuldigen Sie«, sagte sie, »aber ich habe nicht damit gerechnet, dass… Ich fühle mich nicht wohl. Könnten Sie meine Assistentin rufen?«
Peter erhob sich von der Couch, aber ehe er Sandaji auffangen konnte, sackte sie wie ein sterbender Schwan nach vorn. Als ihre Hände schlaff auf den zerschlissenen Orientteppich sanken, rutschte ein Kupferreif ihren Arm herunter und blieb am Handgelenk hängen. Ihr graues Haar löste sich und breitete sich auf dem Boden aus. Peter kniete sich neben sie, kam aber zu dem Schluss, dass es nicht klug wäre, sie anzufassen, denn sie wirkte benommen und war nur halb bei Bewusstsein. »Hilfe!«, rief er laut.
Mit pikiertem, bleichem Gesicht trat Jean Baslan ins Zimmer. Gemeinsam hoben sie Sandaji auf und setzten sie auf den Stuhl. »Nein, das ist nicht besonders bequem«, bemerkte Jean Baslan mit angespannter, besorgter Miene. Sie fassten Sandaji bei den Armen und halfen ihr auf die Couch, auf die sie sich – trotz der wächsernen Haut und des zerzausten Haars durchaus elegant – zurücksinken ließ.
»Verstehe«, murmelte Sandaji, als sie die Augen aufschlug.
»Was ist passiert?«, wollte Jean Baslan von Peter wissen.
»Sie hat nur ein paar Worte gesagt und ist dann hingefallen. Offenbar ist ihr schwindelig geworden.«
»Ich habe sie gesehen.« Sandaji neigte den Kopf, um Peter mit einem eindringlichen Blick aus ihren grünen Augen zu fixieren. »Obwohl ich keine Hellseherin bin«, wiederholte sie. »Ich bin kein Mensch, der Visionen hat.«
»Haben Sie ihr heimlich irgendetwas gegeben? Ins Wasser gemischt?«, fragte Jean Baslan vorwurfsvoll.
»Ins Wasser? Nein, natürlich nicht«, beteuerte Peter angesichts ihres anklagenden Blicks.
»Haben Sie sie auch gesehen?«, fragte Sandaji und starrte, genau wie ihre Assistentin, Peter an.
»Da war irgendein Lichtreflex«, erwiderte er. »Das ist alles, was ich gesehen habe.«
»Sie sollten jetzt gehen, Mr. Russell«, sagte Jean Baslan.
Sandaji setzte sich mühsam auf. »Es tut mir wirklich Leid, so etwas ist mir noch nie passiert. Eigentlich bin ich immer stark und gesund.« Sie versuchte, sich wieder in den Griff zu bekommen, doch es gelang ihr nicht recht.
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