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Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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ich weiß, hat er eine Frage.«
    »Genau«, erwiderte Peter.
    Die rosa Zunge zwischen die Lippen geschoben, sah sich Sandaji im Zimmer um. »Das ist ein guter Platz.« Sie deutete auf die moosgrüne Couch an der Wand hinter dem Glastisch, die Peter jetzt erst bemerkte. »Bitte machen Sie es sich gemütlich.«
    »Ich lasse euch beide jetzt ein Weilchen allein«, verkündete Jean Baslan augenzwinkernd, als wäre sie eine liberal eingestellte Anstandsdame, die ihren Schützling einem Gentleman anvertraut, und schloss die Tür hinter sich.
    Peter nahm auf der grünen Couch Platz, spreizte locker die Knie und stützte die großen, trockenen Hände darauf ab. Dabei saß er nicht wie ein Gentleman da, sondern wie ein Arbeiter, der es sich bequem macht – ein Unterschied, der ihm bei dieser Gelegenheit deutlich bewusst wurde.
    Ehe Sandaji zu ihrem Holzstuhl zurückkehrte, strich sie sich erneut das Kleid glatt. Sie setzte sich aufrecht hin, die Beine nebeneinander gestellt, aber es wirkte nicht so, als geböte dies der Anstand, sondern als wäre ihr diese Sitzhaltung genauso bequem wie ihm die seine. Ihre langen Finger bewegten sich auch weiterhin ebenso geschmeidig wie gezielt: Während sie den Mundwinkel leicht verzog, strich sie den Samt, der sich an sie schmiegte, ein paar Zentimeter weiter nach unten. Ich bin auch nur ein Mensch, besagte das Zucken ihres Mundwinkels, egal, was andere in mir sehen oder empfinden mögen.
    Peter war sich da nicht so sicher. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Während ihre Augen unablässig auf ihm ruhten, wirkte sie völlig gelassen.
    »Ich arbeite gelegentlich für Mr. Benoliel«, erklärte er. »Er hat mir aufgetragen, Sie aufzusuchen.«
    Es war deutlich zu spüren, dass Sandaji die Wirkung genoss, die sie auf Männer und vermutlich auch auf manche Frauen ausübte, wenngleich es ihr letztendlich nicht viel zu bedeuten schien. Sie zog die Augenbrauen hoch, und ihre Miene sagte: Wie nett von ihm. »Es gibt so viel Kummer zu lindern, so viel Verwirrung, die man in nützliche Energie verwandeln muss.« Ihre Stimme vibrierte wie ein Cello. Peter konnte sich vorstellen, wie er sich im Klang dieser Stimme treiben ließ.
    »Ich weiß«, sagte er und fügte unwillkürlich hinzu: »Mein bester Freund ist heute gestorben.«
    Sandaji beugte sich vor und hielt kurz den Atem an, ehe sie leicht durch die Nase ausatmete. »Das tut mir wirklich Leid.«
    »Er war ein Schriftsteller, genau wie ich.«
    »Sie haben beide besondere Fähigkeiten; man schätzt Sie, das kann ich sehen. Viele Menschen – besonders Frauen, glaube ich – haben erstaunlich viel Vertrauen zu Ihnen. Das ist etwas Besonderes, Peter.«
    »Danke. Ich mag Frauen, und sie scheinen mich zu mögen. Und so, wie ich lebe, kann ich… nun ja,… ich kann ihnen einfach nicht…« Er war nicht in der Lage, sich zu bremsen, wie peinlich. Seine Hände umkrampften die Knie.
    »Ich verstehe«, sagte Sandaji. »Mittlerweile widme ich mich nur noch meiner Arbeit. Das verwirrt manche Leute, die die Art von Liebe brauchen, die Sie und ich ihnen aus unterschiedlichen Gründen nicht zu geben vermögen. Wir können es uns einfach nicht leisten.«
    Peter lachte verlegen auf. »Na ja, bei mir liegt es nicht daran, dass ich so erfolgreich wäre und mich ganz auf meine Arbeit konzentriere.«
    »Nein?«
    »Es ist eher so, als wäre ich nie erwachsen geworden.«
    »Es liegt ein Zauber in der Jugend, aber auch ein Stachel«, bemerkte Sandaji. »Es kostet uns einiges, die Jugend zugunsten eines höheren Wertes loszulassen. Und nicht allen bietet das Leben eine Entschädigung dafür.«
    Aha, langsam erkenne ich, wohin die Reise geht, dachte Peter und merkte, wie er die Situation langsam wieder in den Griff bekam. Sie ist sehr gut, aber man kann sie durchschauen. Auch wenn sie sehr gut ist. »Tut mir Leid, das ist mir einfach so entschlüpft. Ich bin nicht hier, um über mich selbst zu reden.«
    »Verstehe.«
    »Mein Auftraggeber hat eine Frage.«
    »Wir haben Zeit.«
    »Das hat mir Michelle – Mrs. Benoliel – vorhin auch gesagt.«
    Zwischen Sandajis blassen Brauen bildete sich eine Falte. »Sie macht sich wohl Sorgen um ihren Mann.«
    »So geht es wohl allen Frauen reicher Männer«, erwiderte Peter, der sich inzwischen in die Defensive gedrängt fühlte. Allerdings lag das nicht an dem, was Sandaji in Bezug auf Michelle vermutete. Vielmehr merkte er, wie sie ihre Scheinwerfer auf seine persönliche Seelenlandschaft richtete und dabei Punkte erfasste,

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