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Stine

Stine

Titel: Stine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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verschlucken oder sich einen Amboß auf die Brust legen lassen. Und wenn du das ein ›Untätchen‹ nennen willst, nun so tu's. Aber seine Krankheit und sein Elend, das ist es ja gerade, was ihm vor Gott und Menschen zur Ehre gereicht. Denn woher hat er's? Aus dem Krieg her hat er's. Er war noch keine neunzehn und ein schmächtiger dünner Fähnrich bei den Dragonern und sah aus wie 'ne Milchsuppe, das muß wahr sein. Aber ein Haldern war er. Und weil er einer war, war er der erste von der Schwadron, der an den Feind kam, und vor dem Karree, das sie sprengen sollten, ist er zusammengesunken, zwei Kugeln und ein Bajonettstich und das Pferd über ihn. Und das war zuviel für den jungen Menschen. Zwei Jahre hat er gelegen und gedoktert und gequient, und nun drückt er sich schwach und krank in der Welt herum, und weil er nicht weiß, was er machen soll, besucht er Stine und will sie heiraten. Das ist ein Unsinn. Aber komme mir nicht mit allerlei Spitzen und Anzüglichkeiten, die für den armen Jungen nicht passen. Er hat das Eiserne Kreuz, und ich will, daß du mit Achtung von ihm sprichst.«
    Pauline lachte. »Jott, Graf, wenn das einer hört, so muß er ja wahr und wahrhaftig denken, ich wollt einem einen Spott draus machen, daß er ein braver Junge gewesen. Aber das is auch so eine von euren Marotten, daß ihr immer denkt, wir verstünden nichts davon und wüßten nichts von Vaterland und knappzu von Courage. Aber wie steht es denn? Alle Wetter, ich bin auch fürs Vaterland und für Wilhelm, und wer seine Knochen zu Markte getragen hat, vor dem hab ich Respekt un brauche mir nich erst sagen zu lassen, daß ich Respekt vor ihm haben soll. Un denn, Graf, man nich immer jleich mit die Halderns. Ich habe welche gekannt, die waren auch erst neunzehn und keine Halderns und saßen
nich
zu Pferde, nein, immer bloß auf Gebrüder Benekens, un mußten auch immer vorwärts. Un zuletzt, als es bergan ging un sie nich mehr konnten, da hielten sie sich an die Kusseln, weil sie sonst rücklings runtergefallen wären, un immer die verdammten Dinger dazwischen, die so quietschen un sich anhören wie 'ne Kaffeemühle. Ne, ne, Graf, die Halderns haben es nich alleine gemacht un der junge Graf auch nicht. Aber er hat seine Schuldigkeit getan un seine Gesundheit drangegeben, und da werd ich ihm doch nichts anreden – i, da biß ich mir ja lieber die Zunge ab. Ich habe bloß sagen wollen, daß an Stine kein Untätchen is. Un dabei bleib ich. Und da wir nu mal davon reden, dabei bleib ich auch, daß ans Gräfliche öfter so was is als an unserein, un nu gar erst an Stinechen. Ich weiß nicht, wie die Dokters es nennen, aber das weiß ich, es gibt Untätchen schon von 'n Urgroßvater her. Un die Urgroßväter, was so die Zeit von 'n dicken König war, na, die waren schlimm. Und die Halderns werden woll auch nich anders gewesen sein als die andern.«
    »Es ist gut«, sagte der alte Graf mit wiedergewonnener Ruhe. »Was du gleich zuerst gesagt hast von dem Schlosser drüben und seinem Neffen, das ist die Hauptsache, das hat mich überführt. Ich glaube jetzt, daß du unschuldig an der Sache bist, und muß auch einräumen, es sieht dir nicht ähnlich. Du bist viel zu klug und zu verständig, um solchen Unsinn in Gang zu bringen. Denn du sagst es ja selbst, ein Unsinn ist es und ein Unglück dazu. Und noch dazu für alle beide.«
    Pauline nickte zustimmend.
    »Also ein Unglück, sag ich. Und nun laß uns überlegen, wie wir da rauskommen oder es wenigstens eingrenzen und wieder Schick in die Sache bringen. Waldemar ist eigensinnig – alle Kranken sind es – und wird von seinem Vorhaben nicht lassen wollen, davon bin ich überzeugt. Es ist also nur dadurch etwas zu machen, daß wir auf den andern Part, auf deine Schwester, einen Einfluß gewinnen.«
    Die Pittelkow zuckte mit den Achseln.
    »Du willst sagen, es fehlt auch
ihr
nicht an Eigensinn. Und ich glaub es beinah. Außerdem ist alles Zureden umsonst, solange noch die Möglichkeit für Stine bleibt, Waldemar zu sehn und zu sprechen.
Den
wird sie natürlich lieber hören als uns. Jeder hört am liebsten, was ihm schmeichelt und wohltut. Ich seh also nur
ein
Mittel: sie muß fort. Und ich stelle dir alles dabei zur Verfügung. Überlege. Sie wird doch irgendwo in der Welt, in der Priegnitz oder Uckermark, eine Freundin oder Anverwandte haben, und wo nicht, so müssen wir so was erfinden. Da muß sie hin. Nur weg von hier, weg. Zeit gewonnen, alles gewonnen. Und ist erst eine Trennung da

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