Stine
hast. Und nun lebe wohl; ich sehe dich nicht wieder. Alles, was noch zu tun oder zu sagen bleibt, wird durch andere geschehen.«
Der alte Graf hatte sich ebenfalls erhoben und schritt, über den Teppich hin, auf und ab. Jetzt aber blieb er stehen und sprach nicht ohne Bewegung vor sich hin: »Und daran bin ich schuld... ich.«
»Schuld? Du? Schuld an meinem Glück? Nein, Onkel, nur Dank und wieder Dank.« Und dabei nahm er den Hut, um zu gehen, hielt aber noch einmal an, augenscheinlich in Zweifel, ob er dem Oheim die Hand reichen solle oder nicht.
Der alte Graf sah es und trat seinerseits einen Schritt zurück.
So verbeugte sich denn der Neffe nur in aller Förmlichkeit und schritt dann auf die Tür zu, die nach dem Korridor hinausführte.
Draußen stand Johann, der gehorcht hatte, mit dem Überzieher schon in der Hand und ließ es an Dienstbeflissenheit nicht fehlen. Aber das nachdrückliche Schweigen, in dem er verharrte, schien doch auch seinerseits eine Mißbilligung ausdrücken zu sollen. War er doch lange genug im Haldernschen Dienst, um über Mesalliancen noch strenger zu denken als sein Herr.
Dreizehntes Kapitel
Erst als er wieder allein war, wurde sich der alte Graf alles dessen, was er gehört hatte, voll bewußt. Allerdings war ihm gleich im ersten Augenblick das Blut zu Kopf gestiegen, Waldemars ruhiges Sprechen aber und vielleicht mehr noch ein ihm tief im Blute steckender Hang nach dem Aparten und Abenteuerlichen hatte seinen Unmut zurückgehalten. Indessen dieser Zustand konnte nicht dauern, und jetzt, wo Waldemar fort und die Diskussion einer ihn prickelnden Frage geschlossen war, war auch der Moment wieder da, die zurückgedrängten ersten Empfindungen: Entrüstung und Schreck, wieder auflohen zu lassen.
In der Tat auch Schreck.
Er
war Grund und Ursach all dieser Wirrnisse, die nicht gekommen wären, wenn er, für seine Person, auf die törichte Laune, Waldemar bei der Pittelkow einzuführen, verzichtet hätte. Dieser faux pas seinerseits mußte früher oder später zur Kenntnis seines älteren Bruders, des Majoratsherrn auf Groß- und Klein-Haldern, kommen, und wenn er sich dann verklagt sah, gleichviel laut oder leise, wie wollt er da bestehen? Und wenn vor
ihm
, dem Bruder, wie vor
ihr
, der Frau Schwägerin. Sie war die stolzeste Frau weit und breit, eine von Petersburger Erinnerungen getragene kurländische Dame, vor der selbst die Halderns nur mit Mühe bestehen konnten und der eine Schwiegertochter im Stile von Stine Rehbein einfach Tod und Schande bedeutete. Was half es, wenn Waldemar aus dem Lande ging und sich für immer expatriierte? Die Tatsache der »Encanaillierung« eines Haldern blieb bestehen und mit ihr der Skandal, die Blâme, das Ridikül. Und das letztere war das schlimmste.
»Nein, es geht nicht«, überlegte der Graf, während er, immer erregter und nervöser werdend, in seinem Zimmer auf und ab schritt. »Ich werde mit Gewalt dazwischenfahren.
Ich
bin schuld, ja und nochmals ja, und immer wieder ja – ich will es nicht von mir abwälzen. Aber meine Dummheit allein hat es nicht dahin gebracht, da steckt meine gute Freundin dahinter, dieser schwarze Gottseibeiuns, meine gute Pittelkow, die jeden Tag rappelköppischer wird. Denn soviel bon sens sie hat, so ist sie doch vom Hochmutsteufel besessen, und während sie nach links hin sich einbildet, mit mir machen zu können, was sie will, will sie nach rechts hin die blonde Schwester mit ihrer langweiligen Tugendgrimasse direkt in unsere Familie hineinspielen. Aber ich werde dem Hause Pittelkow mit all seinen Annexen zeigen, daß es denn doch die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat. Undankbare Kreatur. Aus dem Kehricht hab ich sie aufgelesen, und als Lohn für meine Guttat zahlt sie mir in
dieser
Münze.«
Während er noch so sprach, traf sich's, daß sein Blick von ungefähr in den Spiegel fiel. Er trat denn auch heran, rückte sich das rote Halstuch zurecht und lachte: »So also sieht ein Ehrenmann aus, ein Witwenretter und Waisenvater... Habe die Ehre.« Und er bekomplimentierte sich selbst. »Immer das alte Lied. Sowie man in der Patsche sitzt, spielt man sich auf den Unschuldigen hin aus, schimpft über die Komplizen, die meist viel weniger Schuld haben als man selbst, und läßt andere die Dummheiten entgelten, die man höchst eigenhändig gemacht hat. Und in meinem Falle nennt sich diese schnöde Weißwascherei noch aristokratische Gesinnung und erhebt sich über die Pittelkows, die sich wenigstens nicht mit
Weitere Kostenlose Bücher