Stirb für mich: Thriller
jedoch ausnahmsweise einmal nicht laut aus.
»Und das hast du nicht als Zurückweisung empfunden?«, fragte sie. »Ich jedenfalls ganz bestimmt. Und das gibst du an Amy weiter. Du warst viel weg, aber das war deine Entscheidung. Du hättest auch beschließen können, für sie da zu sein, aber das warst du nicht, wahrscheinlich weil dein Vater dich verlassen hat.«
»Als sie klein war, schien sie so glücklich«, sagte Boxer und wusste selbst, wie defensiv und schuldbeladen das klang. »Erst seit sie ein Teenager ist, benimmt sie sich so unmöglich.«
»Du hattest beschlossen, mehr Zeit mit ihr zu verbringen, doch es war zu spät, Charlie. Sie hatte ihre Schutzmechanismen schon entwickelt. Du warst nicht da, Mercy hatte ihre eigenen Probleme, sie hat sich für ihre Karriere entschieden. Was soll ein Kind machen? Und wenn die Mauern erst einmal hochgezogen sind …«
»Und was muss ich jetzt tun?«
»Du musst versuchen, eine Beziehung ohne väterliche Erwartungen aufzubauen. Geh nicht davon aus, dass sie dich liebt, wenn du so wenig für diese Liebe getan hast. Behandle sie wie eine x-beliebige junge Frau. Finde heraus, ob du sie magst. Finde heraus, ob sie dich mag. Und dann kannst du weitersehen. Ich schätze, das ist deine einzige Chance.«
Frank D’Cruz lief im Flur vor Alyshias Zimmer auf und ab. Er war auf eine nie gekannte Art nervös. Man hatte ihm erklärt, Alyshia wolle ihn, auch nachdem sie gehört hatte, dass seine Befragung beendet war, immer noch nicht sehen. Isabel hatte sie überreden können, ihn anzuhören, allerdings erst mit dem Hinweis auf das dreistündige Gespräch, das sie mit ihrem Exmann geführt hatte, nachdem er das Thames House verlassen hatte.
Und es gab einen zweiten Grund, warum es D’Cruz schwerfiel, den Raum zu betreten. Er wusste, dass Deepak Mistry an ihrem Bett sitzen würde. Ein Teil des dreistündigen Gesprächs hatte sich um Deepak gedreht und darum, wie er Alyshia seinen Standpunkt erfolgreich dargelegt hatte, was D’Cruz ebenfalls in keinem guten Licht hatte erscheinen lassen.
Frank hatte ihn seit seiner Flucht von Konkan Hills Securities im Dezember letzten Jahres nicht mehr gesehen. Vor drei Tagen, am Donnerstagmorgen, hatte er auf der Fahrt zum Thames House einen Bericht über einen mutmaßlichen Bandenmord an einem indischen Mafiaboss auf dem Primrose Hill gehört. Nun musste er dort hineingehen, Deepak Mistry in die Augen sehen, ihn akzeptieren und dann seine Tochter zurückgewinnen.
Er klopfte und betrat das Zimmer. Deepak Mistry stand auf, nicht in Fluchtbereitschaft, sondern eher als ihr Beschützer. D’Cruz sah seine Tochter in dem Krankenhausnachthemd, und ihm wurde bewusst, dass er sie ebenfalls seit Dezember vergangenen Jahres nicht gesehen und wie sehr er sie vermisst hatte. Wie viel hatte er in seiner Wut geopfert!
Er trat an ihr Bett, und sie akzeptierte seinen Kuss, umarmte ihn jedoch nicht. Ihre Zurückhaltung war spürbar und schmerzhaft für ihn. Er gab Mistry die Hand und suchte Augenkontakt, um ihm zu vermitteln, dass nichts mehr zwischen ihnen stehen sollte.
»Vielleicht sollte ich euch beide allein reden lassen«, sagte Mistry.
»Nein«, erwiderte Alyshia. »Du bist Teil der Geschichte. Wir werden beide zuhören.«
D’Cruz ging ans Fenster, spähte kurz durch die Jalousien und wandte sich dann mit hängendem Kopf zu ihnen um. »Ich weiß, dass ich großes Unrecht begangen habe«, sagte er mit tiefem Ernst. »Großes Unrecht. Und das größte Unrecht habe ich denen getan, die mir am nächsten stehen. Es tut mir leid. Was ich getan habe, kann ich nicht ungeschehen machen, aber ich würde gern einiges wiedergutmachen. Ich habe beschlossen, eine wohltätige Stiftung für Straßenkinder in Bombay zu gründen«, erklärte er, ohne Alyshias hochgezogene Brauen zu beachten. »Und ich möchte, dass du mit mir zurück nach Bombay kommst, um sie zu leiten. Und wenn es dir gefällt, möchte ich, dass auch Deepak in irgendeiner Weise beteiligt ist.«
»Hört sich an, als hättest du mit Mum geredet.«
»Wie du weißt, ist sie das Zentrum alles Guten in meiner Welt. Sie hat gesprochen, und ich habe zugehört«, sagte D’Cruz. »Ich habe außerdem beschlossen, die Escort-Agentur zu schließen und Sharmila zu ermutigen, sich für das Aids-Programm der Mahale-Familie zu engagieren.«
Sie blickten zu ihm auf. Er stand mit dem Rücken zum Fenster, hielt seine offenen Hände hoch, und das Charisma strömte aus seinen Fingerspitzen.
»Was?«, fragte
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