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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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er beim Baden. Ihm wurde ganz flau in der Magengegend. Vor Glück und Aufregung. War das schon ein richtiges Date?
    »Find ich gut, dass du wieder Gitarre spielst«, sagte da seine Mutter hinter ihm.
    Sascha zuckte kurz zusammen, drehte sich um und ging kommentarlos an ihr vorbei in die Küche. Irgendwas musste mit ihm passiert sein, er kam sich plötzlich größer und breiter vor.
    »Mädchen stehen übrigens voll auf Gitarrenspieler«, sagte seine Mutter, mit einem leichten Grinsen in den Mundwinkeln.
    »Mama!« Er rollte mit den Augen.
    »Das war schon immer so. Was glaubst du, wie mich dein –« Sie beendete den Satz nicht.
    Sascha ging an den Kühlschrank. »Ich mach uns schnell was.«
    »Das musst du nicht. Ich bin die Mama.« Sie schob ihn weg, machte die Tür auf und schaute hinein. »Okay«, sagte sie und trat wieder zur Seite, »in diesem Haushalt schafft es nur einer, aus nichts was zu zaubern.«
    Sascha lächelte.
    »Und während du kochst, reden wir. Über Mädchen. Und was in deinem Alter geht und was nicht.«
    »Oh Mann, Mama, du bist echt peinlich!«
     
    IRGENDWIE HATTE SASCHA das Gefühl, dass Joys Anwesenheit sein Zimmer verändert hatte. Deshalb ließ er alles, wo es war: die Zeichnungen auf dem Boden, die am Schrank lehnende Gitarre, das leere Glas auf dem Schreibtisch. Er setzte sich auf die Bettkante und fixierte die Stelle im Raum, die sie eben noch ausgefüllt hatte. Es war, als sei dort etwas von ihr in der Luft zurückgeblieben. Etwas, das er durch bloßes Starren wiederbeleben konnte.
    Nach einer Ewigkeit holte er Zeichenblock, Bleistift und Radiergummi und setzte sich wieder hin. Dann schaute er wie zuvor auf den Platz, den sie eingenommen hatte, und tatsächlich, er sah sie, sie war wieder da – oder noch immer –, und so begann er, ein Porträt von ihr zu zeichnen, mit behutsam tastenden Strichen, als fürchte er, eine allzu forsche Vorgehensweise könne das Bild aus seiner Erinnerung vertreiben, ehe er es ganz aufs Papier gebannt hatte.
     
    »ES FREUT MICH, dich wiederzusehen.« So wie Dr. Androsch lächelte, glaubte Sascha es ihm fast. Er selbst war nicht gerade froh, wieder hier zu sein, aber da er keine andere Wahl hatte, hatte er sich entschlossen, der Therapie eine Chance zu geben. »Wie ist es dir nach der letzten Stunde ergangen?«
    »War schon komisch«, antwortete Sascha betont lässig. »Keine Ahnung, warum ich letzte Woche so geflennt hab. Ich bin eigentlich nicht der Typ, der sofort losheult.«
    »Du trägst eine Wunde in dir, Sascha, einen Schmerz. Und wenn uns was wehtut, weinen wir eben. Das ist ganz natürlich und muss dir nicht peinlich sein.«
    »Wenn Sie das sagen«, murmelte er.
    »Ich würde heute gerne mit einer kleinen Übung beginnen. Sie heißt: die innere Zuflucht. Sie soll dir einen Ort schenken, an den du dich jederzeit zurückziehen kannst. Einen Ort der Geborgenheit in dir.«
    »Okay«, sagte Sascha und dachte: Jetzt geht also das Psychogedöns richtig los. »Muss ich die Augen schließen?«
    »Kannst du, musst du aber nicht. – Bereit?«
    Er nickte und schloss die Augen.
    Androsch bat ihn nun, sich einen Ort der Ruhe vorzustellen und zu beschreiben. Vielleicht sein Zimmer oder einen Strand, an dem er sich im Urlaub wohlgefühlt hatte, oder irgendeinen erfundenen Platz. Sascha kam sich bescheuert vor, und weil ihm nichts Besseres einfiel, dachte er eben an eine Blumenwiese. »Es gibt alle möglichen Blumen, Schmetterlinge und Bienen und alles«, beschrieb er sie. »Die Sonne scheint, ein paar Wolken ziehen über den Himmel. Alles ist total entspannt.«
    »Warum fühlst du dich ausgerechnet hier geborgen?« Androsch war nur noch eine Stimme.
    »Ich glaube, wegen der Weite. Hier gibt es keine bösen Überraschungen.«
    »Schau dich um. Je mehr Details du findest, desto besser.«
    »Vor mir ist ein kleiner Hügel.«
    »Wie sieht er aus?«
    »Total zugewachsen mit Blumen. Rote Blumen. Mohn. Und diese blauen, die auf Feldern wachsen. Wie heißen die noch mal?«
    »Kornblumen?«
    »Ja, die meine ich.« Sascha stockte. Das innere Bild hatte sich verändert. Die eben noch frischen Blumen lagen welk auf der Erde. Was war mit ihnen passiert? Und da war noch etwas aufgetaucht. Ein Zettel an einem verkrüppelten Stock. Er zoomte den Zettel heran, um zu sehen, was darauf stand. In dem Moment, in dem er nah genug war, erschrak er und riss, nach Luft schnappend, die Augen auf.
    »Was ist?«, fragte Androsch.
    »Nichts.« Sascha schüttelte den Schrecken so gut wie

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