Stirb schön
und von seinen Kindern umarmt wurde, die Schäferhündin Lady hoffnungsvoll die Leine in der Schnauze hielt, mit der Pfote scharrte und eifrig mit dem Schwanz wedelte. Und dann blickte er in Kellies lächelndes Gesicht.
Sie stand in Jeanslatzhose und weißem T-Shirt da, das Gesicht von blonden Löckchen umrahmt, und schenkte ihm ihr wunderbares Lächeln. Tom gab ihr die Blumen.
Kellie tat, was sie immer tat, wenn sie den rosa, gelben und weißen Strauß entgegennahm. Ihre blauen Augen blitzten vor Freude, sie drehte die Blumen hin und her und sagte »Oh, wow«, als wäre es der schönste Strauß, den sie je bekommen hatte. Sie hielt ihn an die Nase – ihre kleine freche Nase, die er so liebte – und roch daran. »Wow! Seht mal, Rosen! Meine Lieblingsblumen in meinen Lieblingsfarben. Dass du daran gedacht hast, Schatz!« Und dann küsste sie ihn.
An diesem besonderen Abend verweilten ihre Lippen länger als sonst auf seinen.
Ob er heute Glück hatte? Doch dann schob sich eine dunkle Wolke vor sein sonniges Gemüt. Womöglich wollte sie ihn, was Gott verhüten mochte, nur auf einen neuen bescheuerten Kauf vorbereiten, den sie bei eBay getätigt hatte.
Doch Kellie sagte nichts, als er hereinkam, und es war auch keine Kiste, kein Karton, keine neue technische Spielerei zu entdecken. Als Tom zehn Minuten später seine klebrigen Sachen gegen Shorts und T-Shirt getauscht hatte, war seine Hochstimmung zurückgekehrt.
Max, sieben Jahre, vierzehn Wochen und drei Tage alt, stand auf Harry Potter und Gummiarmbänder mit politischer Botschaft. Stolz trug er das weiße gegen Armut und das schwarz-weiße gegen Rassismus zur Schau.
Tom freute sich, dass sein Sohn Interesse an seiner Umwelt zeigte, selbst wenn er die Bedeutung der Slogans noch nicht ganz verstand. Er saß neben dem Bett in Max’ leuchtend gelb tapeziertem Zimmer und las vor. Es war bereits die zweite Runde durch sämtliche Harry-Potter-Bände, und Max steckte den zerzausten blonden Kopf unter der Harry-Potter-Bettdecke hervor und hörte mit großen Augen zu.
Die vierjährige Jessica interessierte sich im Augenblick nicht fürs Vorlesen, weil sie Zahnschmerzen hatte. Ihr Geheul drang durch die Zimmerwand, da Kellies Versuche, sie zu beruhigen, bislang erfolglos geblieben waren.
Tom las das Kapitel zu Ende, gab seinem Sohn einen Gutenachtkuss, hob noch einen Waggon des Hogwarts Express vom Boden auf und stellte ihn neben die PlayStation ins Regal. Er warf Max noch eine Kusshand zu und schaltete das Licht aus. Dann ging er in Jessicas rosa Zimmer, ein Schrein für die Welt der Barbies. Ihr Gesicht war verzerrt, rot und tränennass. Kellie, die gerade versuchte, ihr vom Grüffelo vorzulesen, zuckte hilflos mit den Achseln. Sie habe gleich am nächsten Morgen einen Termin beim Zahnarzt, meinte sie.
Er umrundete vorsichtig zwei Barbiepuppen und einen Legokran und ging in die Küche, wo es köstlich duftete. Lady lag in ihrem Korb und kaute an einem Knochen, der von einem Dinosaurierbein zu stammen schien. Sie schaute hoffnungsvoll hoch und wedelte erneut mit dem Schwanz. Dann sprang sie aus dem Korb, legte sich auf den Rücken und reckte den Bauch mit den Zitzen in die Luft.
Tom rieb sie mit dem Fuß, während sie genießerisch die Zunge heraushängen ließ. »Später, du altes Luder, versprochen. Wir gehen später raus. Okay?«
Nachdem Kellie damals die Küche gesehen hatte, war das Haus so gut wie gekauft. Die Vorbesitzer hatten ein Vermögen investiert, alles war aus Marmor und gebürstetem Stahl, und Kellie hatte sämtliche technischen Spielereien hinzugefügt, die man kaufen konnte, wenn man das Kreditkartenlimit bis zum Anschlag ausreizte.
Durchs Fenster sah er den Rasensprenger im kleinen, rechteckigen Garten. Auf der Wäscheleine hingen kleine bunte Kleidungsstücke. Darunter lag ein Plastikroller im Gras. In dem kleinen Gewächshaus, um das er sich persönlich kümmerte, gediehen Tomaten, Himbeeren, Erdbeeren und Zucchini.
Am Zaun entdeckte er das lange, trübselige Gesicht der Giraffe. Sein Nachbar war immer draußen, schnitt, trimmte, jätete und goss, seine gebeugte Gestalt erinnerte dabei an einen müden, alten Kran.
Tom warf einen Blick auf die Bilderwand, die Kunstwerke aus Wasserfarbe und Buntstift zierten, um zu sehen, ob es etwas Neues von Max und Jessica gab. Von Harry Potter einmal abgesehen war sein Sohn völlig autoverrückt und malte meist Dinge mit Rädern. Jessica bevorzugte eigenartige Menschen und noch eigenartigere Tiere,
Weitere Kostenlose Bücher