Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
Vom Netzwerk:
Wetterkontinuum«, bestätigte Penser Tatsachen. »Aber es gibt einen Wetterbericht. Es gibt keine Nacht. Aber es gibt Schwarze Messen. Ich konnte in Erfahrung bringen, daß es sich tatsächlich um einen Dunkelheitskult handelt. Entdecken Sie Zusammenhänge?«
»Nein«, äußerte Grünspan mit aller Aggressivität, die ihm zur Verfügung stand. »Ich will auch keine entdecken. Ich will das Schöne dieser Welt entdecken, um daraus Gewinn zu ziehen für die Erde. Das sind meine kommenden Aufgaben. Verzeihen Sie mir meine Offenheit, aber ein Müßiggänger wie Sie hat wohl von Natur aus keine Bedenken, seine Zeit zu verbummeln. Hier muß ich meine Fähigkeiten schulen, Kraft sammeln. All mein Elan wird auf der Erde gebraucht. Man benötigt meine kosmischen Erfahrungen. Mein Ehrgeiz richtet sich auf große Dinge, nicht faßbar für gegenwärtiges Denken, nicht formulierbar in MK-Prognosen. Ich…!« Mit diesem Ausruf brach er ab und fuhr bescheiden fort: »Sie haben ja keine Ahnung, wie mit den Aufgaben Fähigkeiten wachsen können. Ich bin nicht mehr der simple Krämer, als der ich auszog ins All. Ich habe zu einem Ethos gefunden, das harmonisch verändern will. Suchen nicht auch Sie die harmonische Welt? Was trennt uns, lieber Freund? Besinnen sie sich. In Ihnen wohnt ein zerstörerischer Drang. Geben Sie sich die Mühe, das Glück dieser Welt zu begreifen.«
Mehr konnte ein Mensch nicht die Lippen zusammenpressen. Eingefallener konnten Wangen nicht wirken, schroffer geschwungen nicht eine Nase, nicht zerfurchter eine Stirn. Doch entgegen diesem Ausdruck bemerkte Penser mit priesterlicher Güte: »Verspüren Sie in sich nicht das Verlangen, einer Schwarzen Messe beizuwohnen?«
Der ungeheuerliche Vorschlag überraschte Grünspan. Sein Prostest fiel lasch aus.
»Wo denken Sie hin! Sollen wir uns in fremde Angelegenheiten mischen? Ein Kult lebt von verbindenden Gefühlen, wir aber sind fremd hier. Man würde uns mit Recht als Eindringlinge und Störenfriede behandeln. Nehmen Sie Vernunft an und geben Sie Ruhe. Es ist ein herrlicher Tag. Wir sollten einen Ausflug aufs Meer hinaus unternehmen.«
»Ein Tag wie der andere«, sagte Penser, »fahren Sie morgen oder übermorgen. Wo ist der Unterschied? Tun Sie es in Gottes Namen heute. Mich entschuldigen Sie bitte, ich habe etwas zu erledigen.« Sein Gruß unterstrich die Verstimmung. Die Flügel der Tür öffneten und schlossen sich. Unwillkürlich, als wäre ein Druck von ihm genommen, atmete Grünspan auf.
Nachdem einige der notwendigen medizinischen Formalitäten erledigt waren, stand er im Begriff, den Diagnoser zu verlassen. An der Tür stieß er auf einen der Ärzte, der ihm mit zwei kurzen Bemerkungen das Ergebnis mitteilte.
»Verzeihen Sie, Doktor«, Grünspans Transcoder wählte selbsttätig den entsprechenden isobanischen Titel, »sind Erkältungsinfekte auf Isoba häufig?«
Der Mehorella lächelte. »Aber nein, Herr Grünspan«, das Gerät ahmte perfekt den Tonfall seiner Stimme nach. »So gut wie keine. Bei Ihrer Konstitution brauchen Sie sich nicht zu sorgen.«
»Verstehen Sie mich recht«, Grünspan suchte nach einer dezenten Formulierung, »ich bemerkte hier und da eine der stabilen Wetterlage nicht angemessen scheinende Bekleidung Ihrer Mitbürger. Eine vorbeugende Maßnahme?«
Der Isobaner erwiderte sein Lächeln. »Man richtet sich nach dem Wetterbericht. Was ist daran ungewöhnlich?«
Kaum wagte Grünspan noch fortzufahren. »Ist Ihr Wetter nicht immer das gleiche?«
»Natürlich.« Der Arzt schmunzelte. »Ich verstehe Ihre Verwirrung. Sehen Sie, der Wetterbericht ist ein Relikt aus der Zeit, als es auf Isoba noch Wetter gab. Ich meine natürliches, unreguliertes Wettergeschehen. Damals verschwand etwas sehr Vertrautes aus dem Leben der Isobaner. Indem man mit der Wetterverkündigung wenigstens eine Illusion von dem Vergangenen aufrechterhielt, verfolgte man keine andere Absicht als die, dem einzelnen die Gewöhnung an den Zustand des kontinuierlichen Wetters zu erleichtern. Jedermann konnte an seiner Gewohnheit, den Wetterbericht zu verfolgen und zu befolgen, festhalten.«
»Eine kluge Entscheidung«, bemerkte Grünspan.
»Nicht wahr!« Der Arzt nickte. »Man war allerdings der Ansicht, das Bedürfnis danach würde sich mit der Zeit von selbst überleben. Doch die historische Entwicklung verlief anders.«
Die Freimütigkeit, mit der der Isobaner über diese Dinge sprach, erzeugte Vertrauen. Grünspan wollte nicht zurückstehen und sagte: »So etwas kommt

Weitere Kostenlose Bücher