Störgröße M
müßte oder Don Quichotte oder… Unversehens mischten sich grüblerische Sentenzen in seine Gedanken. Sollte er nicht mutiger sein bei seinen Deutungen? Unnachsichtiger? War Penser die Neugier, mit der er die Harmonie zerstückelte gleich einem schönen Leichnam, um aus den Eingeweiden die Welt zu deuten, noch zu verzeihen? Sie war nicht nur eines Gastes nicht würdig, es lag etwas krankhaft Manisches darin. Penser gab vor, die Welt zu suchen, die ihren Individuen gerecht würde. Tatsächlich aber bohrte er nach dunklen Punkten. Er wühlte im Schlamm, bis die Wasser der Erkenntnis sich trübten. Wollte er so Schönheit erkennen, Güte, Gerechtigkeit?
Grünspans Mißtrauen war wesentlich gewachsen, als ihm Penser beim Abendessen unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitteilte, er habe die Existenz eines offenbar kultischen Vorganges in Erfahrung gebracht, den man »Schwarze Messe« nenne. Über Näheres habe ihn sein Informant nicht eindeutig informieren können oder wollen. Er neige jedoch zu der Interpretation, in einer Welt des Lichts müsse es sich um eine Art von Protest handeln.
Mit diesem Wort im Ohr entschlummerte Grünspan unruhig. Seine Träume fingen das Rauschen des Meeres ein. Es wiegte ihn nicht in stetem Auf und Ab, sondern ließ ihn in einer unwirklich gleichförmigen Helligkeit schweben.
Im Licht der Nachtsonnen begegnete ihm das Hotel. Es bewegte im Gleichschlag die Schuppen, von denen ein jeder Kreis eine Etage darstellte. Ganz oben in dem Tannenzapfen wohnte er. Doch sein Zimmer war leer. Mannshoch flog das Gebäude neben ihm, indessen es die Etagen auf- und zusammenklappte. Nur seine Sechseckigkeit verriet noch seine künstliche Herkunft. O Himmel, dachte Grünspan, wenn es abstürzt. Er blickte unter sich und entdeckte ein gleißendes Nichts. Als sich das Hotel in den Strahlenfäden der Sonnen verfing und hängenblieb, entrückte er, scheinbar erleichtert, in tieferen Schlaf. Träumend kam ihm ein, Penser sei ein Demagoge, natürlich seien die Sonnen nützlich.
Er erwachte fahrig und fühlte sich erst wohler, nachdem er ausgiebig geduscht hatte.
Das Zentralgestirn stand noch dicht über dem Horizont… Doch selbst so früh am Morgen war die Luft lau und mild, ohne nächtliche Kühle, und er konnte ohne Bedenken leichteste Bekleidung wählen. Sie bestand schließlich aus einem blusigen Hemd in Gold und weiten, kaffeefarbenen Hosen. Früher hatte er diese Töne nie gemocht.
Beim Betreten des Restaurants winkte ihm Penser bereits zu. Ohne Arg, wie es schien, erkundigte er sich nach dem Befinden. Doch Penser gegenüber mochte er nicht zugeben, daß er bessere Nächte kennengelernt hatte.
Der Tisch öffnete seine Oberfläche, und aus dem Inneren schwebte wie ein schaumgeborenes Wunder das Menü empor. Gezwungen durch Pensers Sarkasmus, überließ er sich wie am Abend dessen Wahl und aß mäßig.
Penser speiste barbarisch. Seine Finger glänzten von Fett, von den Enden seines Bartes rannen Tropfen. Sein Gesicht rötete sich. Er keuchte. Verhaltenes Rülpsen blähte ihm die Wangen.
»Haben Sie heute schon einen Blick nach draußen getan? Haben Sie sich die Kleidung der Leute angesehen?«
Allein, um Pensers Anblick auszuweichen, wandte Grünspan seine Aufmerksamkeit der Szenerie vor dem Hotel zu.
Auf der von hohen Baumgewächsen überschatteten Promenade bewegte sich quirlig die Flut der Isobaner. Was für ein geselliges Volk. Ein Treiben in Buntheit und trotz aller Regsamkeit ohne Hast. Die Regenumhänge fehlten heute. Den Körper dick vermummende Kleidung bestimmte ausnahmslos das Bild. Hier und da sah man sogar Kopfbedeckungen. Doch wie gestern betrug die Temperatur fünfundzwanzig Celsiusgrade.
»Mir scheint«, bemerkte Grünspan, »unsere isobanischen Freunde sind verwöhnt. Ich muß sagen, mir ist ein Hemd fast zuviel. Die Temperatur ist für unsereins gerade noch angenehm.«
»Es gibt einen Wetterbericht«, sagte Penser mit drohender Prophetie in der Stimme.
Es wollte sich Grünspan aufdrängen zu fragen: Wieso? Doch seinem Ausruf kam Penser zuvor.
»Gestern nach dem Abendessen hätten Sie sich informieren können. Die Art der Sendung ist übrigens sehenswert. Für den heutigen Tag gab man an: einen Temperaturrückgang, böige Luftbewegung, Wolkenfelder, jedoch kein Niederschlag. Was sagen Sie dazu?«
»Ja, aber«, stammelte Grünspan, »wie soll man das verstehen? Sie binden mir doch nicht etwa einen Bären auf? Es gibt doch gar kein reguläres Wetter auf Isoba.«
»Es gibt ein
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