Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stoner: Roman (German Edition)

Stoner: Roman (German Edition)

Titel: Stoner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Williams
Vom Netzwerk:
hatten,richtete sein Vater, sobald das Abendbrot abgeräumt worden war, in der Küche das Wort an ihn.
    »Der Viehhändler kam letzte Woche.«
    William blickte von dem ordentlich mit einem rot-weiß karierten Wachstuch bedeckten runden Küchentisch auf, sagte aber nichts.
    »Angeblich gibt’s ein neues Institut an der Universität in Columbia. Heißt Landwirtschaftscollege. Meinte, du solltest hin. Dauert vier Jahre.«
    »Vier Jahre«, sagte William. »Kostet das was?«
    »Für Kost und Logis kannst du arbeiten«, erwiderte sein Vater. »Deine Ma hat einen Vetter, dem gehört bei Columbia ein Hof. Und dann wären da noch Bücher und so Sachen, aber ich würde dir jeden Monat zwei, drei Dollar schicken.«
    William spreizte die Hände auf dem im Licht der Lampe matt schimmernden Tischtuch. Er war nie weiter fort als im fünfzehn Meilen entfernten Boonesville gewesen und musste schlucken, ehe er mit ruhiger Stimme fragen konnte:
    »Glaubst du denn, du kommst hier allein zurecht?«
    »Deine Ma und ich, wir schaffen das schon. Ich könnte auf den oberen zwanzig Morgen Weizen anpflanzen, macht weniger Arbeit.«
    William sah zu seiner Mutter hinüber. »Ma?«, fragte er.
    Mit tonloser Stimme antwortete sie: »Du tust, was dein Pa dir sagt.«
    »Ihr wollt das wirklich?«, fragte er, als rechne er halb damit, dass sie es sich anders überlegten. »Ihr wollt wirklich, dass ich das mache?«
    Sein Vater verlagerte sein Gewicht auf dem Stuhl und betrachtete die dicken, schwieligen Finger, in deren Risse die Erde so tief eingedrungen war, dass sie sich nicht mehrherauswaschen ließ. Dann verschränkte er die Hände und hielt sie über dem Tisch, als wollte er beten.
    »War nicht viel, was ich an Schule hatte«, sagte er, den Blick noch auf die Hände gerichtet. »Hab auf dem Hof angefangen, sobald ich mit der sechsten Klasse fertig war. Hielt auch nicht viel von der Schule, als ich noch jung war, aber heute? Ich weiß nicht. Kommt mir vor, als würde das Land von Jahr zu Jahr trockener und der Boden schwerer zu bearbeiten, dabei war es schon kein guter Boden, als ich noch klein war. Der Viehhändler sagt, es gibt neue Ideen, neue Methoden, die sie einem an der Universität beibringen. Vielleicht hat er recht. Manchmal, auf dem Acker, da mache ich mir so meine Gedanken.« Er schwieg. Die Finger pressten sich fester aneinander, die verschlungenen Hände sanken auf den Tisch. »… so meine Gedanken.« Stirnrunzelnd betrachtete er die Hände und schüttelte den Kopf. »Kommenden Herbst gehst du zur Universität. Und deine Ma und ich, wir schaffen das schon.«
    Es war die längste Rede, die ihm sein Vater je gehalten hatte. Also fuhr er im Herbst nach Columbia und schrieb sich am Kolleg für Agrarwirtschaft ein.
    *
    Mit einem neuen Anzug aus feinem schwarzen Tuch, bestellt aus dem Katalog von Sears & Roebuck und bezahlt mit Mutters Eiergeld, sowie einem gebrauchten Mantel vom Vater, einer Hose aus blauer Serge, die er bislang nur einmal im Monat zum Besuch der Methodistenkirche in Booneville getragen hatte, sowie mit zwei weißen Hemden, Arbeitssachen zum Wechseln und fünfundzwanzig Dollar in bar,die sich sein Vater vom Nachbarn auf den Herbstweizen geliehen hatte, machte er sich auf den Weg nach Columbia. Von Booneville aus, wohin ihn Vater und Mutter am frühen Morgen mit dem von ihrem Esel gezogenen, flachen Hofkarren gebracht hatten, ging er zu Fuß.
    Es war ein warmer Herbsttag, der Weg von Booneville nach Columbia staubig und Stoner schon gut eine Stunde unterwegs, als neben ihm ein Lieferwagen hielt. Der Fahrer fragte, ob er aufsteigen wolle, woraufhin Stoner nickte und sich auf den Kutschbock setzte. Bis hinauf zu den Knien war die Sergehose rot vom Staub, das von Sonne und Wind gegerbte Gesicht sandverkrustet, wo sich Straßenstaub und Schweiß vermischt hatten. Während der langen Fahrt klopfte er immer wieder mit verlegener Geste die Hosenbeine ab und fuhr sich mit den Fingern durchs glatte hellbraune Haar, das einfach nicht flach anliegen wollte.
    Sie erreichten Columbia am späten Nachmittag. Der Fahrer ließ Stoner am Stadtrand absteigen und zeigte auf eine Gruppe von hohen Ulmen überschatteter Bauten. »Das ist die Universität«, sagte er. »Da werden Sie studieren.«
    Noch mehrere Minuten, nachdem der Mann weitergefahren war, stand Stoner reglos da und starrte zu dem Gebäudekomplex hinüber. Nie zuvor hatte er etwas so Imposantes gesehen. Die roten Ziegelsteinbauten ragten aus einer weiten, allein von Steinmauern

Weitere Kostenlose Bücher