Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
Dads Handy; da er es auf Vibration gestellt hatte, hüpfte es auf der Tischplatte leicht hin und her und klirrte gegen sein Besteck. Er nahm es, warf einen Blinzelblick aufs Display, legte es jedoch wieder hin, ohne die SMS zu lesen, die soeben eingetrudelt war. Er hatte keine derzahlreichen SMS gelesen, die er bekommen hatte, seit wir heute Morgen aufgebrochen waren und unsere letzte Station, Westcott, ruck, zuck hinter uns gelassen hatten. Als er wieder zu mir herüberschaute, setzte ich eine betont muntere Miene auf.
»Ich habe auch ein gutes Gefühl, was dieses Restaurant angeht«, sagte ich lächelnd. »Scheint tatsächlich Potenzial zu haben.«
Er sah mich einen Moment stumm an, streckte dann die Hand aus, drückte liebevoll meinen Arm. »Weißt du was?«, antwortete er. »Du bist ein erstaunliches Mädchen. Ein wirklich ganz großartiges Mädchen!«
Erneut vibrierte sein Handy, doch dieses Mal achtete keiner von uns beiden darauf. Und in Westcott hockte ein anderes erstaunliches, großartiges Mädchen und fragte sich verwundert, weshalb um alles in der Welt ihr Freund – der Typ, der so nett und charmant war, aber einfach keine feste Bindung eingehen konnte (oder wollte?) – weder auf Anrufe noch auf SMS reagierte. Vielleicht stand er unter der Dusche. Oder hatte wieder einmal sein Handy vergessen. Oder vielleicht saß er auch mit seiner Tochter in einer Hunderte von Kilometern entfernten Stadt in einem Restaurant, im Begriff, zum soundsovielten Mal ein neues Leben anzufangen.
Kurze Zeit später kehrte Tracey mit der Guacamole sowie dem Salat zurück und knallte sie zwischen uns auf den Tisch, dass es schepperte. »Die Calamari brauchen noch eine Minute«, verkündete sie. »Kann ich sonst was für Sie tun?«
Mein Vater warf mir einen Blick zu. Beinahe gegen meinen Willen überfiel mich bei der Vorstellung, dass alles wieder auf Anfang gesetzt, alles wieder aufs Neue zu erledigen und zu erleben war, plötzlich ein Gefühl von Erschöpfung. Aber es hielt nicht lange an, schließlich hatte
ich
die Entscheidunggetroffen, vor mittlerweile zwei Jahren: bleiben oder gehen, eine sein oder viele. Man konnte über meinen Vater sagen, was man wollte – langweilig war das Leben mit ihm nie.
»Nein«, sagte er zu Tracey, wobei er mich nicht aus den Augen ließ. Die in diesem Moment kein bisschen blinzelten, sondern groß und rund und blau waren, wie meine eigenen. »Uns geht’s prima, wir haben alles, was wir brauchen.«
***
Jedes Mal, wenn mein Vater und ich in eine neue Stadt zogen, gingen wir als Allererstes in dem Restaurant essen, das er im Auftrag seines Chefs diesmal übernehmen sollte. Wir bestellten immer dieselben Vorspeisen: bei einem Mexikaner Guacamole, bei einem Italiener Calamari und, egal wo, einen schlichten grünen Salat. Das waren die Basisgerichte, die – Dads Überzeugung nach – in jedem Restaurant, welches den Namen überhaupt verdiente, angeboten werden sollten, und zwar in ordentlicher Qualität. Deshalb bildeten diese Gerichte die Grundlage für seine Arbeit in dem jeweiligen Lokal. Im Laufe der Zeit wurden sie für mich überdies zu einem guten Maßstab dafür, wie lange wir an dem Ort, an dem wir diesmal wieder gelandet waren, bleiben würden, sodass ich mich besser auf die unmittelbare Zukunft einstellen konnte. Anständige Guacamole und halbwegs knackiger Salat bedeuteten: Besser nicht zu sehr einlassen, auf nichts und niemanden, keine tieferen Bindungen eingehen. Waren die Calamari hingegen zäh wie Gummi oder hatte das Grünzeug schleimig schwarze Ränder, wusste ich: Es lohnte sich durchaus, in der Schule bei einer der Mannschaftssportarten mitzumachen oder vielleicht sogar dem einen oder anderen Verein, Club, Komitee beizutreten. Denn wir würden definitiv eine Weile bleiben.
Nach dem Essen wurde stets brav bezahlt und ein großzügiges, allerdings nicht übertriebenes Trinkgeld gegeben; dann zogen wir erst einmal los, um unser neuestes – gemietetes – Domizil zu inspizieren. Nachdem wir den Umzugsanhänger abgekoppelt hatten, fuhr mein Vater dann in das bewusste Restaurant zurück, um sich offiziell vorzustellen. Und ich fing an, uns in unserem neuen Heim einzurichten.
Die Wohnungen besorgte
EAT INC
. für uns, der Restaurantkonzern, für den mein Vater als Berater arbeitete. In Westcott, dem Badeort in Florida, den wir gerade verlassen hatten und der sich lang und schmal am Meer entlangstreckte, hatten sie einen richtig süßen Bungalow
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