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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lief er zum ersten Male wieder. Das Hemd klebte an seinem schwitzenden Körper. Er verstand die Welt nicht mehr. Es war unfaßbar: Bis heute, bis zu diesem Augenblick, hatte er gedacht, er stünde mit den Offizieren auf der gleichen Seite der Barrikade. Und nun machte ihn dieser polierte Affe zu einem von der anderen Seite. Er keuchte. Und Beverns schneidende Stimme hämmerte in sein zermartertes Gehirn: »Schneller, Oberfeldwebel, los, schneller! Das macht den Körper geschmeidig und frei! Das ist gut für die Bronchien! Kehrt marsch!«
    Dann war es zu Ende, Krüll durfte gehen und beschloß, sich besinnungslos vollaufen zu lassen.
    Aber für Bevern war das erst der Anfang.
    Alle werde ich fertigmachen, dachte er grimmig, entschlossen, unversöhnlich. Alle! Die verdammte Bande von Mannschaften! Die Unteroffiziere! Alle! Und die hundsopportunistischen Offiziere. Alle! Mitsamt Obermeier und Barth!
    In der Baracke 2 der 2. Kompanie sah Bevern etwas, was ihn zunächst sprachlos werden ließ. Darin erging es ihm nicht anders als zwei Abende zuvor Oberfeldwebel Krüll: Er entdeckte Schwaneckes Bildersammlung.
    Schwanecke war gerade dabei, auch die Stirnseite seines Bettes und den Holzrahmen an der Seite mit den Bildern nackter Mädchen zu zieren.
    Oberleutnant Bevern trat näher.
    »Aha – da sind Sie ja wieder!« sagte er laut, als er hinter Schwanecke stand. Dieser drehte sich grinsend herum.
    »Wie können Sie einen so erschrecken, Herr Oberleutnant? Sind sie nicht hübsch?«
    »Sie –«, begann Bevern, aber Schwanecke ließ sich nicht beirren.
    »Gefallen sie Ihnen, Herr Oberleutnant? Die Blonde da – die ist aus Berlin. Toll, was? Wenn Sie wollen –«, er beugte sich vor und sagte zu dem zurückweichenden Offizier vertraulich, als hätte er ihm ein Geheimnis zu verraten, »– wenn Sie wollen, Herr Oberleutnant, gebe ich Ihnen ihre Adresse. Wenn Sie mal nach Berlin fahren – von der kann der beste Mann noch 'ne Menge lernen.«
    Bevern fröstelte. Er konnte kaum atmen. Mit einem zischenden Laut stieß er die Luft aus der Nase und fuhr sich mit dem Zeigefinger hinter den Kragen.
    »Fehlt Ihnen was?« fragte Schwanecke besorgt.
    Bevern jagte ihn eine halbe Stunde über den Kasernenhof. Dann war er müde und heiser, aber Schwanecke grinste noch immer. Alles, was man ihm von der Anstrengung anmerken konnte, war ein bißchen Schweiß. »Sie können das beinah so gut wie mein Ausbilder bei den Rekruten«, sagte er, als er vor Bevern stand. »Was die Adresse angeht …«
    »Schweigen Sie –!« schrie Bevern.
    Nach weiteren fünfzig Kniebeugen durfte Schwanecke gehen. Seine Knie zitterten, aber er grinste und ließ sich nichts anmerken. Nicht der, dachte er böse, nicht dieser –! Ich krieg' dich mal dran, paß bloß auf, ich krieg' dich mal dran –!
    Deutschmann war fertig. Mit der Latrine und auch sonst.
    Bis jetzt hatte ihn eine Art von Galgenhumor aufrechtgehalten. Nun war es vorbei damit; er war zu erschöpft, zu hoffnungslos, zu sehr erledigt, um in Krülls und anderer Unteroffiziere Geschrei und Schikanen nur eine hohle Aufgeblasenheit mit nichts oder nur wenig dahinter zu sehen. Durch die lange, schwere Krankheit körperlich ausgehöhlt, durch die Haft, den Prozeß und immer neue Demütigungen zermürbt, brauchte er seine ganze übriggebliebene Kraft, um sich aufrechtzuhalten, schutzlos der deprimierenden Umgebung preisgegeben. Jetzt fühlte er keinen Zorn mehr, keine Verbitterung, er war nur noch schwach und müde.
    Nachdem er den Eimer, Putzlappen und die Besen aufgeräumt und sich gewaschen hatte, wankte er unter Aufbietung seiner letzten Kräfte in die Unterkunft, nur noch von einem Wunsch erfüllt: eine Zigarette und schlafen. Tagelang schlafen, ohne sich zu rühren. Sein linker Arm schmerzte unerträglich – der Arm, den er sich bei seinem Selbstversuch infiziert hatte, der nun mit Narben überzogen und völlig abgemagert war.
    Die schwache, nackte Birne verbreitete ein trübes, unbestimmtes Licht. An dem langen, roh zusammengezimmerten Tisch in der Mitte spielten einige Soldaten Karten, aber die meisten lagen schon auf ihren Pritschen. An einem Ende des Tisches saß der lange Oberst und starrte auf seine verbundene Hand. Der ehemalige Major in einem Armeestab machte sich unlustig mit dem Besen zu schaffen; er hatte Stubendienst.
    Deutschmann ging zu seinem Spind und holte aus der hintersten Ecke die Zigarettendose. Sie war aus schwarzem Leder, in Silber eingefaßt, mit seinem Monogramm in der unteren

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