Strandglut 27 Short(s) Stories
Flugübungen überstanden hat. Das Messer in meiner Manteltasche übt eine gewaltige Beruhigung aus, es fühlte sich gut an, hart, "wie deutscher Kruppstahl" hätte meine Mutter
gesagt. Meine Mutter, warum muss ich gerade jetzt an meine Mutter denken. Sie hat mich verlassen, einfach verlassen, so als ob ihr die Frucht ihres Leibes genauso egal sei, wie eine Zigarette, die man in einem Aschenbecher ausdrückt. Dr. Buber sehr viel Ähnlichkeit mit meiner Mutter. Warum ist mir das eigentlich nie aufgefallen? Sie ist auch nicht besser, sie ist
verdammt noch mal genauso eine Schlampe wie meine Mutter.
Ich schaue auf die Uhr. In zwanzig Minuten wird Dr. Buber Feierabend machen. Ich beschleunige meine Schritte zurück zu ihrer Praxis. Der Hauseingang ist leer. Ich schleiche mich in den ersten Stock und wartete hinter dem schmiedeeisernen Fahrstuhl. Das Licht geht aus. Die Minuten scheinen sich wie Kaugummi zu dehnen. Was macht der Kerl da so lange bei ihr? Bei mir macht sie immer pünktlich Schluss. Sie kann doch unmöglich bei jemand anderem ihre Stunde überziehen. Ich wickele das Messer aus, fahre mit dem Daumen über die Klinge. Höllisch scharf. Der Schweiß tritt mir auf die Stirn. Mein Unterhemd klebt. Es ist viel
zu warm hier. Aus der Wohnungstür dringt Lachen. Sie wird doch nicht etwa mit einem Patienten lachen? Mit mir hatte sie noch nie gelacht. Endlich öffnet sich die Tür. Ein Mann trittheraus. "Einen schönen Abend noch, Frau Dr. Buber." Dr. Buber schließt die Tür. Der Mann hastete die Treppen herunter, ich bin wieder allein in dem Hausflur. Geduld, sage ich mir, gleich kommt sie raus. Ich lausche den Geräuschen des alten Miethauses. Im zweiten Stock streitet sich ein Paar, nur übertönt von dem wilden Pochen meines Herzens. Da dreht
sich ein Schlüssel im Schloss. Ich setzte zum Sprung an und lande genau in dem Moment in der Tür, als Dr. Buber sie öffnet. Es geht alles so schnell, dass sie nicht mal schreien kann. Ich drücke sie mit der Tür an den großen Wandspiegel, das Messer und halte es ihr dicht unter die Kehle. "Kein Mucks", sage ich und gebe der Tür einen Tritt. Sie fällt geräuschvoll ins Schloss. Dr. Buber schaut mich mit weit aufgerissenen Augen an. Ich streiche ihr mit der Spitze des Messers über die Bluse.
"Herr Pieper, was soll das?"
Sie hat Mut, meine Psychiaterin. Aber ich will nicht mehr reden, wir reden schon viel zu lange. Ich will, dass sie bei mir bleibt, mich nicht verlässt wegen so eines dummen kleinen Wurms, der in ihr wächst.
"Du wirst mich nicht verlassen, Du Hure", sage ich und ritze ihr ein bisschen den Hals auf. Wie wenig Kraft es braucht, um Blut strömen zu lassen. Sie stößt einen spitzen Schrei aus, ansonsten bewegt sie sich nicht. Ich wandere tiefer mit dem Messer, reiße ihr die Bluse auf, reine Seide natürlich, kein Wunder bei ihren Honoraren. Das Blut sickert in die beigefarbene Seide und hinterlässt ein interessantes Muster. Es erinnert an diesen blöden Rohrschach-Test. Mit einer Hand auf ihrem Bauch drücke ich sie immer noch gegen den Wandspiegel, ich spüre ihren Atem, der jetzt heftig geht. So, als wenn wir beide Liebemachen würden. Ich werde ihr den Bauch aufschlitzen und diesen Wurm rausschneiden, der meinem Leben ein Ende bereitet. Ich schaue in ihre angstvoll geweiteten Augen, jetzt, jetzt, ich hole aus mit dem Messer und schaue hoch.
"Haben Sie das mit ihrem Bruder auch so gemacht?"
Ich höre sie schreien, sehe mich in dem Wandspiegel hinter ihr, sehe einen kleinen Jungen mit einem Messer in der Hand, ich sehe auf meinen kleinen Bruder hinab, auf dieses Arschloch, das mir meine Mutti weggenommen hat.
"Neeiiin!" Meine Mutter schreit. Oder Dr. Buber? "Neeiiin!".
Oh Gott, ich schreie. "Neeiin, nein, nein!" Mutter nimmt mir das Messer ab. "Mutti, ich liebe dich". Mutter führt mich zum Sofa. Ich will in ihren Arm. Sie nimmt mich nicht in den Arm.
Sie setzt sich mir gegenüber und sagt: "Und wie ging es weiter?"
Ich krümme mich von diesem Schmerz, mein ganzer Körper schmerzt, ich will in ihren Arm.
"Hat Ihre Mutter sie deshalb weggegeben. Weil sie ihren kleinen Bruder umbringen wollten?"
Ich habe Schmerzen, ich schreie, ich weine, ich trample: "Nein,Nein, nein".
Mutter gibt mir ein Taschentuch.
"Verlass mich nicht, Mutti, bitte verlass mich nicht."
"Hänschen, warum hast Du das getan?"
"Ich bin so allein, Mutti."
"Aber dein Bruder ist doch noch ein Baby. Er braucht mich."
"Ich hasse ihn."
"Glaubst du denn, dass deine Mutter
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