Strandglut 27 Short(s) Stories
„üblichen Verdächtigten“ ins Allerheiligste, wie Blasius’ Büro in der Zentrale genannt wurde.
Der Finanzvorstand, stocksteif wie immer, der Personalvorstand, jovial bis an die Grenze der Erträglichkeit, der selbstbewusste Produktionsvorstand und der ziemlich zerknautscht aussehende Marketingvorstand hatten sich um seinen gläsernen Konferenztisch geschart.
„Wir können uns keinen Fehler leisten“, eröffnete Blasius die Morgenrunde. „Nicht den kleinsten“. Die vier Herren nickten Beifall.
„Wie kommt es dann, dass in dem Bilanzprospekt vier Druckfehler sind?“ fragte Blasius mit zusammengezogenen Augenbrauen den Marketingvorstand.
„Wie Druckfehler eben passieren“, antwortete der zerknautschte Marketingmann.
„Hat denn das verdammt noch mal niemand Korrektur gelesen?“
„Doch, zwanzigmal. Und Du hast es abgezeichnet!“
„Ich bin hier nicht fürs Korrekturlesen da!“ schrie Blasius.
„Nein, aber für die richtigen Zahlen. Und die kamen erst vor drei Tagen, nachdem unser lieber Kollege – er warf dem stocksteifen Finanzvorstand einen wütenden Blick zu – sich plötzlich und unerwartet umentschieden hatte.
„Ich habe mich nicht umentschieden sondern neue Zahlen vom Personalvorstand bekommen!“ blaffte der Finanzvorstand zurück.
„Sind die Zahlen jetzt wenigstens wasserdicht?“ fragte Blasius. Der Stocksteife nickte. „Wenn der liebe Kollege von der Produktion sich nicht verrechnet hat, sind die Zahlen absolut wasserdicht!“
„Ich weiß wovon ich rede, was man hier nun wirklich nicht von jedem behaupten kann“, knurrte der Produktionschef.
„Gibt es wenigstens eine Berichtigung im Bilanzheft?“
„Natürlich, die wird gerade gedruckt, die Hefte werden neu gebunden. Also alles kein Problem.“ sagte der Marketingchef.
„Wir können uns nicht den kleinsten Fehler leisten, damit das klar ist.“ Es war klar und die Sitzung beendet.
Ulrike, die Pressechefin war als nächste dran. Sie hatte ihm bereits gestern das FAQ gegeben, eine Liste der möglichen Fragen der Schmierenkomödianten und der richtigen Antworten.
„Diese Frage ist nicht erlaubt!“ schrie Blasius, als die beiden das dreißig Seiten dicke Kompendium durchgingen.
„Aber sie wird kommen. Darauf können sie nicht sagen, dass die Frage nicht zulässig ist.“
„Schwachköpfe! Solche Fragen können doch nur Schwachköpfe stellen. Streichen sie das!“
„Nun“, sagte Ulrike, „unsere Strategie heißt ja wohl Positivieren. Wenn wir nicht offen und ehrlich alle Fragen beantworten, können wir nichts positivieren. Die dürfen auf keinen Fall den Eindruck haben, dass irgendetwas nicht zum Wohle der Allgemeinheit geschieht. Und wenn sie auf ..“
„Ersparen sie mir jetzt den Vortrag über Journalisten. Die kenne ich zur Genüge.“
„Dann gehen sie darauf ein, das ist immer noch die beste Methode. Wir müssen weg“, sagte Ulrike bei einem Blick auf die Uhr.
Um punkt elf Uhr zehn betraten Ulrike, die vier Vorstände und Blasius den großen Konferenzsaal, in dem sich bereits rund siebzig Journalisten befanden. Die Kameras waren aufgestellt und die kleine Korona musste sich mühsam ihren Weg über Kabel und Stative zum Podium bahnen. Im Gehen zeigte der Marketingvorstand, dass die Seiten mit den Fehlern ausgetauscht worden waren. Blasius atmete tief durch.
„Guten Tag meine Damen und Herren...“, begrüßte Ulrike die Anwesenden. Blasius sammelte sich, setzte sich gerade hin, Bauch rein, Brust raus. In einer glänzenden Rede zog er die Journalisten in seinen Bann. Sie hingen an seinen Lippen, kritzelten eifrig in ihre Notizbücher. ‚Sie fressen alles’, dachte Blasius. Es war abgemacht, dass man die Bilanz erklären würde, der eiserne Sparkurs für die Folgejahre sollte allerdings erst durch die Fragen der Journalisten herauskommen. Nachdem Blasius geendet hatte, gab es zunächst Schweigen.
„Sie haben jetzt Gelegenheit, Fragen zu stellen.“ sagte Ulrike und schaute wie ein Dompteur im Löwenzwinger. Eine junge Frau vorn in der ersten Reihe hatte die Hand gehoben. „Bitte!“
„Ich habe eine Frage an den Herrn Vorstandsvorsitzenden. Gibt es einen Grund, warum sie so nervös sind?“
Blasius zog hörbar die Luft ein.
„Mein persönliches Befinden steht hier wohl kaum zur Disposition.“ Ulrike warf ihm einen warnenden Blick zu. „Nein, ich bin nicht nervös, sie täuschen sich.“ schob er schnell hinterher.
Die junge Frau hatte noch mal zaghaft den Finger gehoben.
„Warum tragen
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