Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
Wagen, die Hände in den Taschen seines langen Mantels. Aber er sah nicht Christophe an, sondern mich. Die grünen Feuerringe um seine grünlich-golden schimmernden Pupillen erinnerten mich an Katzenaugen bei Nacht.
Christophes Schultern wurden steifer, als er noch einen Schritt machte, mit dem er die Grenze zwischen »nah« und »zu nah« überquerte. Graves rührte sich nicht.
Christophe bewegte sich noch ein Stück weiter vor. »Du müsstest aus dem Weg gehen«, raunte er mir trügerisch-sanft zu. Trügerisch deshalb, weil ich auf den Fluren der Schule genug Schubsspiele gesehen hatte, die eskalierten. Und diese Szene bot alle Anzeichen für eine Eskalation.
Graves senkte seinen Kopf ein bisschen und blickte den Djamphir etwa zwei Sekunden länger an, als höflich gewesen wäre, und nur eine Sekunde zu kurz für eine ernste Herausforderung. »Eng hier, nicht? Hey, Dru, warte auf mich!«
Ich hängte mir meinen Taschenriemen quer über den Oberkörper. »Ja, beeil dich!« Meine Stimme kippte. Aus unerfindlichen Gründen wollte ich nicht, dass die beiden auf dieselben dämlichen Gockelspiele verfielen wie die anderen Idioten.
Graves war ein Loup-garou und Christophe ein Djamphir. Werwölfe und Djamphire schubsten sich gegenseitig, wobei die Gewalt und Verachtung spürbar unter der Oberfläche brodelten. Wie Sportfreaks kontra Computerfreaks – nein, das stimmte nicht ganz. Eher wie verfeindete Sportfreaks, die einander hassten. Und ich gab den Werwölfen weniger Schuld, denn die Art, wie die Djamphire sie behandelten, war zwar nicht direkt ein Verbrechen, kam dem aber ziemlich nahe.
Zwischen den beiden hier jedoch stand noch etwas anderes. Etwas Bösartiges, Knurrendes.
Wahrscheinlich hatte es mit der Hitze zu tun, die in mir aufstieg und meine Wangen entflammte, so dass ich nach Luft rang.
Graves kehrte Christophe den Rücken zu, was einer Beleidigung gleichkam, und ging um den Wagen herum. Ich stand stumm da und beobachtete die zwei. Als er bei mir war, nahm er meine freie Hand. Seine Finger waren ebenfalls warm, nur nicht hart wie Christophes.
Die Kofferraumklappe wurde geräuschvoll hochgeklappt. Als ich mich umdrehte, hatte Christophe seinen Kopf hinuntergebeugt. »Samuel, komm her, und hilf mir!«
Samuel? Ich blinzelte.
Dibs fuhr zusammen. »Ja, klar.« Er hüpfte an uns vorbei. Der Wagen tropfte, und die Kühlerhaube tickte, als der Motor abzukühlen begann. Ich stellte fest, dass ich dringend woanders sein wollte. Regen prasselte unaufhörlich auf das Dach.
Ich zog Graves die zwei Stufen hinauf in den Wirtschaftsraum. Dort standen eine hässliche avocadogrüne Waschmaschine und ein Trockner. Daneben befand sich ein riesiges Waschbecken. Sonst nichts. Die Küche nebenan war ebenfalls kahl, und ich fühlte Shanks eher, der durch das Haus schlich, als dass ich ihn hörte.
»Wieso hast du das getan?«, flüsterte ich, doch Graves grinste bloß. Es war weder sein typisches Halblächeln noch das offene, sonnige, das ich am liebsten mochte. Nein, dies war ein breites Wolfsgrinsen, bei dem er alles an Zähnen zeigte, was er zu bieten hatte.
»Nur damit er weiß, was Sache ist, Dru. Ich gehe Bobby helfen. Bleib hier, ja?« Mit diesen Worten zog er seine Hand weg und verschwand.
Oh, also ehrlich … Nicht einmal in Gedanken konnte ich den Satz zu Ende bringen, weil es so lächerlich war. Dad hatte früher die Zeit gestoppt, die ich brauchte, um ein neues Haus zu überprüfen, in das wir einzogen, und wir hatten auch geübt, es im Team zu erledigen. Aber Graves musste natürlich das Alpha-Männchen geben. Dabei hatte er vor wenigen Monaten noch gar nicht gewusst, dass die Echtwelt existierte!
Wahrlich, es veränderte sich manches!
Ich stand mitten in der Küche, die aussah, als wäre hier zuletzt in den Siebzigern gekocht worden, und lauschte dem Knacken und Ächzen des Hauses. Das fleckig-matte Licht der Dämmerung schien durch die Fenster herein. Ich konnte sie alle hören, die Wölfe und den Djamphir.
Und dennoch fühlte ich mich ganz allein.
Um mich herum brannte die Schola, während ich rannte. Meine Arme und Beine waren zu schwer, als würde ich durch Molasse laufen – nicht das klare Harz, in das die Welt sank, wenn der Muskel in meinem Kopf sich anspannte, sondern ein bräunlicher zäher Horrorbrei, der überall an mir zerrte.
Sie waren hinter mir. Ich hörte ihr Geheul, das zwischen dem gläsernen hasserfüllten Vampirschrei und dem Brüllen wütender Werwölfe lag. Sie rannten im
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