Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
ANTEIL AM BAUM DES LEBENS, UND ER WIRD DURCH DIE TORE IN DIE STADT EINTRETEN KÖNNEN.
    Langsam schlug der Reverend das Buch wieder zu. In seiner Kehle hatte sich ein Klumpen gebildet. Er und das Bett troffen vor Regenwasser und Whisky, und in der Luft hing ein schwacher Blutgeruch.
    Er räusperte sich, faltete die Hände und fiel neben dem Bett auf die Knie.
    »Dein Wille geschehe, o Herr, Dein Wille geschehe.«
    Er kniete und betete eine ganze Stunde, zum ersten Mal seit langer Zeit und mit aller Inbrunst.
    Später wusch er sich am Becken, schüttelte die Scherben von den Laken, zog sich aus und ging gereinigt zu Bett.
    Vor dem Einschlafen fragte er sich noch, ob er die Prüfung wohl bestehen würde, die der Herr für ihn bereithielt, hier in Mud Creek. Egal. Er würde es versuchen, mit allem, was ihm zu Gebote stand.
    Dann schlief er.
    Und träumte nicht.
    Acht
    Als die Sonne fort war und stattdessen der Mond wie eine Goldmünze am Himmel stand – ein Mond, der beinahe unnatürlich hell auf Mud Creek und die umliegende Landschaft herabschien –, da setzten sich die Nachtgestalten in Bewegung.
    Die Pferdestation entließ ihren Gast; das Vorhängeschloss schmolz wie Butter dahin und fiel herunter, landete jedoch heil auf dem Boden und kehrte hinterher fest und verschlossen wieder an seinen Platz zurück.
    Knapp außerhalb der Ortschaft, bei den Furgesons, starb das einen Monat alte Mädchen. Am nächsten Morgen würde man dies, unter großem Wehklagen, natürlichen Ursachen zuschreiben.
    Ein paar Haus- und Hoftiere verschwanden. Ein Hündchen allerdings fand man am nächsten Morgen mit aufgerissenem Bauch. Angesichts der Wunde verdächtigte man die Wölfe.
    Natürlich hatte in der Nacht ein Wolf geheult. Ein besonders großer, so wie es sich angehört hatte.
    Bald war es so weit.
    Neun
    Am nächsten Morgen säuberte der Reverend seinen Anzug, streifte ein frisches Hemd aus seiner Satteltasche über und polierte seine Stiefel mit Spucke.
    Heute begann er den Tag nicht mit einem Schluck Whisky. Er hatte Lust auf eine Portion Eier mit Speck und eine Tasse Kaffee, also ging er zum Frühstück hinüber zu Molly McGuire.
    Im Café ging es laut und geschäftig zu.
    Die Bedienungen liefen zwischen Küche und Tischen hin und her wie Ameisen, die Futter heim ins Nest brachten, doch sie beförderten dampfende Kaffeetassen und Teller mit Pfannkuchen oder Speckeiern aus der Küche heraus.
    Von der Tür sah der Reverend, wie ein alter Kauz nach dem Hintern einer Bedienung grapschte; während sie ihn weiter anlächelte, wehrte sie beiläufig seine Hand ab und servierte ihm seine Mahlzeit.
    Neben einem Tisch an der Wand erspähte er den Sheriffsstern – an einem breitschultrigen und mittelgroßen Mann, der auf nachlässige Weise gut aussah. Diesen Mann musste er sprechen.
    Beim Sheriff saß noch ein erheblich älterer Mann am Tisch, dessen Gesicht so wettergegerbt war wie ein Indianermokassin.
    Der Nebentisch war frei, und so beschloss er, sich dorthin zu setzen, um eine günstige Gelegenheit abzuwarten, während die beiden sich lebhaft und wild gestikulierend unterhielten. Nachdem er Platz genommen hatte, belauschte er die beiden mit einem Ohr, ohne sich dessen bewusst zu sein. Eine Gewohnheit, die er vor langer Zeit angenommen hatte. Auf seiner Reise von Ort zu Ort versuchte er immer, um seine Predigt vorzubereiten, den Leuten aufs Maul zu schauen – mitzuhören, was sie so sagten. So konnte er manches Mal etwas in seine Predigt einflechten, was einer der Zuhörer dann als eine an ihn gerichtete Botschaft erkannte. Wenn er beispielsweise mitbekam, wie einer damit angab, mit der Frau eines anderen seinen Spaß gehabt zu haben, formulierte er seine Predigt so, dass dieser Mann meinen konnte, der Prediger habe sein Geheimnis direkt von Gott, dem Allwissenden, erfahren.
    Das kam ihm oft gut zupass, wenn der Klingelbeutel herumging. Von ihrem schlechten Gewissen geplagt, spendeten die (zumindest im Augenblick) reuigen Sünder besonders eifrig, um sich bei Gott loszukaufen.
    Nach den Ereignissen der vergangenen Nacht hatte der Reverend beschlossen, zur ursprünglichen Inspiration seiner Predigten zurückzukehren. Dem innigen Wunsch, die Heilsbotschaft zu verkünden. Er war nun wieder Gottes frommer Diener. Keine Gottesdienste mehr, nur um Geld für Whisky aufzutreiben.
    Doch alte Gewohnheiten – wie die, andere Leute zu belauschen – halten sich hartnäckig.
    »Tja«, sagte der Ältere zum Sheriff, »das heißt wohl, dass du

Weitere Kostenlose Bücher