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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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nichts rausgefunden hast?«
    »Rein gar nichts. Ich bin heute Morgen den Postkutschenweg langgeritten. Von den Fahrgästen war weit und breit nichts zu sehen. Vielleicht Indianer? Könnt ich mir jedenfalls vorstellen. Oder ein Raubüberfall.«
    »Das sind Hirngespinste«, sagte der Ältere. »Matt, du weißt ganz genau, dass wir seit Jahren keinen Ärger mehr mit den Indianern haben. Abgesehen von diesem angeblichen Medizinmann und seiner Frau, und die sind wir ja losgeworden.«
    »Ihr habt ihn aufgehängt. Ohne mich. Ich war nicht dabei.«
    »Ja, Judas hat Jesus auch nicht ans Kreuz genagelt.« Der ältere Mann lächelte. »Lass diesen Ich-wasche-meine-Hände-in-Unschuld-Quatsch. Du hast ihn uns ausgeliefert. Das kommt aufs Selbe raus. Und du musst dich deshalb nicht schuldig fühlen. Das war bloß ein Indianer, und sein Weibsbild war mindestens ’ne halbe Negerin.«
    »Er war unschuldig.«
    »Wie heißt es so schön: Nur ’n toter Indianer is ’n guter Indianer. Und was mich angeht, gilt das auch für Nigger, Mexikaner und Mischlinge.«
    Wie der Reverend bemerkte, verzog Matt vor Abscheu das Gesicht, sagte jedoch nichts dazu.
    »Also gut«, fuhr der Ältere fort, »es waren keine Indianer, und es war verdammt noch mal auch kein Raubüberfall. Du hast doch gesagt, dass die Taschen nicht angerührt wurden?«
    Matt nickte. »Ganz schön bescheuerte Räuber. Und auch so nett. Sie holen die Leute aus der Kutsche raus und bringen sie in ihr Versteck, und dann sind sie so freundlich und fahren die Kutsche her, stellen sie ab und ziehen die Bremse fest, und das mitten auf der Straße. Verdammt, die faulen Hunde hätten doch gleich noch die Pferde füttern können.«
    Zwischen den beiden herrschte einen Moment lang Stille, und der Reverend ergriff die Gelegenheit. Er erhob sich von seinem Platz und ging an ihren Tisch hinüber.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er zum Sheriff, »ich würde Sie gern mal sprechen.«
    »Sprechen Sie. Das ist Caleb Long. Hin und wieder einer meiner Deputys.«
    Der Reverend nickte Caleb zu, der ihn mit einem schiefen Blick bedachte.
    Der Reverend wandte sich wieder dem Sheriff zu und sagte: »Sheriff, ich bin ein Mann Gottes. Ich ziehe von Ort zu Ort, um das Wort des Herrn zu verbreiten.«
    »Und Ihr Spendensäckchen zu füllen«, sagte Caleb.
    Der Reverend sah ihn an. Weil es tatsächlich lange Zeit so gewesen war, konnte er dem Mann nicht böse sein. Er nickte.
    »Ja, das gebe ich zu. Ich bin ein Mann Gottes, aber genau so wie Sie muss ich essen. Aber ich habe nicht nur irgendeine Predigt zu bieten. Ich bringe das wahre Wort des Herrn und die Botschaft vom ewigen Leben.«
    »Wollen Sie gleich den Klingelbeutel rumgehen lassen, Reverend? Falls ja, ersparen Sie mir das. Ich glaube nur, was ich sehe.«
    »Vielleicht werde ich bisweilen etwas überschwänglich, wenn es um Gott geht«, sagte der Reverend.
    »Das Thema haben Sie selbst angeschnitten«, sagte Caleb.
    »Das stimmt.«
    »Entschuldigen Sie, Reverend«, sagte Matt, »aber können wir uns das Gequatsche sparen und gleich zur Sache kommen? Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich würde gerne ein Zelt mieten und, mit Ihrer Erlaubnis, darin einen Abendgottesdienst abhalten, mit Gesang und Gebet, um einige verlorene Seelen zu Jesus zu führen.« Und mit einem Seitenblick auf Caleb: »Und um den Klingelbeutel herumgehen zu lassen.«
    »Von mir aus«, sagte Matt. »Aber wir haben schon einen Geistlichen. Kann sein, dass es ihm sauer aufstößt, wenn hier plötzlich ein Prediger von auswärts auftaucht. Und so viel ich weiß, hat nur er hier in der Gegend so ein Zelt. Er war auch mal Wanderprediger.«
    »Aha«, sagte der Reverend.
    »Sie gehn die Straße runter« – Matt zeigte in südliche Richtung –, »bis Sie an eine Kirche kommen. Da wohnt Reverend Calhoun. Sagen Sie ihm, ich bin einverstanden, wenn er auch einverstanden ist.«
    »Danke«, sagte der Reverend.
    Caleb stand auf, schmiss einige Münzen für sein Frühstück auf den Tisch, hob ein Bein hoch und ließ gehörig einen fahren.
    Für einen kurzen Moment wurde es still im Café. Die Gäste starrten ihn an.
    »Lasst euch nicht stören, Leute«, sagte er so laut, dass es alle hörten, »meine Mama hat mir keine Manieren beigebracht.« Und an Matt gewandt: »Bis später«, und zum Reverend: »Bis zum Gottesdienst, Prediger.« Dann verließ er das Lokal.
    »Einen eigenwilligen Humor hat Ihr Freund da«, sagte der Reverend.
    »Er ist ein wenig ungehobelt.«
    »Das ist wohl das richtige Wort

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