Straße der Toten
Ihren Preis.«
»Sechs Bits.«
»Das scheint hier ein gängiger Preis zu sein«, murmelte der Reverend und kramte in seiner Tasche nach den Münzen.
»Ich bestimme, an welchem Abend Sie Ihre Predigt halten.«
»Natürlich möchte ich Ihrem Gottesdienst keineswegs irgendwie Konkurrenz machen. Den Tag bestimmen Sie.«
»Na gut, dann am Samstag.«
Die Hand des Reverend mit dem Geld hielt auf halbem Weg inne.
»Samstag. Aber, aber, Reverend Calhoun. Ich füge mich gerne Ihren Wünschen, aber der Samstag ist der schlechteste Abend der Woche. Da sind alle im Saloon.«
»So oder gar nicht, Mr. Mercer.«
»Reverend Mercer.«
»So oder gar nicht.«
Stirnrunzeln. »Also gut, dann eben so.« Der Reverend klatschte Calhoun die Münzen in die ausgestreckte Handfläche.
Calhoun zählte nach und ließ sie in seiner Hosentasche verschwinden. »Sind Sie auch bestimmt ein Prediger?«
»Sehe ich nicht so aus?«
»Man sieht nicht so oft einen Mann Gottes mit einer Waffe. Das passt nicht zu Ihrer Arbeit für den Herrn, Mr. Mercer.«
»Reverend Mercer.«
»Mir kommt das etwas merkwürdig vor, dass Sie bewaffnet sind wie ein typischer Revolverheld, obwohl Sie doch angeblich ein Mann des Friedens sind.«
»Meinen Sie, die Arbeit für den Herrn sei immer friedlich? Manchmal kommt man den Ungläubigen nur mit dem Schwert bei ... oder mit dem Revolver ...« Lächeln. »Außerdem haben Sie noch keine meiner Predigten gehört. Ich muss meine Zuhörer ja schließlich irgendwie bei der Stange halten ...«
Calhoun verzog keine Miene. »Nehmen Sie ihr Zelt mit, Mr. Mercer. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
»Ja, richtig. Das Zelt.«
Zwei
Die Kirche war geradezu spartanisch eingerichtet. Reihen von Kirchenbänken, eine Kanzel auf einem Podium, und dahinter an der Wand ein riesiges, primitives Holzkreuz, an dem ein noch primitiverer Jesus hing, der an groteske deutsche Kruzifixe erinnerte.
Am Ende eines breiten Mittelganges zwischen den beiden Kirchenbankreihen befand sich eine Tür. Calhoun führte den Reverend dorthin, öffnete sie, griff hinein, bekam eine Petroleumlampe zu fassen und zündete sie an. Er drehte den Docht hoch, und sie gingen eine knarrende Treppe hinab. Am anderen Ende des Kellerraumes konnte der Reverend ein hohes Fenster erkennen, durch dessen dicke Vorhänge ein wenig Licht sickerte. Obwohl der Raum sehr tief hinabreichte, war die Decke noch auf einer Höhe mit dem Kirchenboden. Anscheinend war da einmal eine Zwischendecke gewesen, die man aber herausgerissen hatte, um Platz für all die Dinge zu schaffen, die hier wie Müll übereinandergestapelt aufbewahrt wurden. Da gab es Kisten und Schachteln, Bündel und Fässer. An der Wand hing ein Waffenständer, staubbedeckt, mit Winchester-Gewehren, doppelläufigen Schrotflinten und ein paar altertümlichen Sharps-Flinten. Daneben mehrere Kisten mit der Aufschrift WAFFEN und MUNITION.
»Für einen Mann mit einer Abneigung gegen Waffen«, sagte der Reverend, »haben Sie ganz schön viele im Haus.«
»Kommen Sie mir nicht komisch, junger Mann. Als diese Kirche gebaut wurde, diente sie zuerst auch als Arsenal und als eine Art Festung gegen Gesetzlose und Indianer. Na ja, weder mit den einen noch mit den anderen hatten wir je viel zu tun. Die Waffen sind immer noch hier, und die meisten Fenster sind vergittert. Bis nächstes Jahr habe ich die Gitter an den Fenstern entfernt, und der Gemeinderat lässt hoffentlich das ganze Zeug hier abholen. Ich könnte den Platz besser gebrauchen ...«
»Was ist denn in den ganzen anderen Kisten?«
»Werkzeug. Klamotten. Dies und jenes. Pistolen und Munition.«
Der Reverend sah sich den Waffenständer genauer an. Zwar wiesen einige der Gewehre Rostflecken auf, aber ansonsten waren sie in gutem Zustand. Die Wände aus Trockenziegeln waren offenbar ziemlich luftdicht.
»Da ist das Zelt, Mr. Mercer.«
»Reverend Mercer«, sagte Jeb und drehte sich um.
Drei
Er hatte einen Rückfall.
Calhoun und er hatten das Ungetüm von einem Zelt die Treppe hochgewuchtet, dann hatte er eine Karre gemietet, um es zum Hotel Montclaire zu transportieren, und ein halbes Dutzend Jungs angeheuert, die ihm halfen, es auf sein Zimmer zu schaffen.
Und als er dann mit den Jungs vor dem Hoteleingang gestanden hatte, um sie zu bezahlen – sechs Bits für jeden, was auch sonst –, da sah er die Frau wieder. Die dunkelhaarige Frau, die wie seine Schwester aussah. Sie überquerte zusammen mit dem älteren Mann die Straße.
Sie hielt sich am Arm des
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