Straße der Toten
hätten Sie das Vieh erwischt.«
»Genau zwischen die Augen.«
»Hören Sie. Prediger oder nicht, ich kann es nicht dulden, dass jemand in meinem Hotel herumschießt. Ich führe hier ein nettes, anständiges Haus ...«
»Es ist ein Scheißhaus, und das wissen Sie genau. Eigentlich sollten Sie mir Geld dafür geben, dass ich hier übernachte.«
Montclaire machte den Mund auf, aber irgendetwas im Gesicht seines Gegenübers ließ ihn innehalten.
Der Reverend griff in seine Hosentasche und zog ein Bündel Dollarnoten heraus. »Da haben Sie einen Dollar für die Spinne. Und fünf für das Loch.«
»Nun, Sir, ich weiß nicht recht ...«
»Das ist ein ganz ansehnliches Kopfgeld für eine Spinne, Montclaire, und unter dem Loch liege nur ich, falls es regnet.«
»Da haben Sie recht. Aber ich führe hier ein respektables Haus, und mir steht natürlich eine Entschädigung zu für ...«
»Nehmen Sie das oder lassen Sie’s bleiben, Sie aufgeblasener Wicht.«
Entrüstet, aber auch wiederum nicht allzu sehr, hielt Montclaire die Hand auf. Der Reverend reichte ihm die versprochenen Geldscheine.
»Das wird wohl genügen, Reverend. Aber denken Sie daran, meine Gäste bezahlen für einen ruhigen, friedlichen Aufenthalt ...«
Der Reverend trat einen Schritt zurück ins Zimmer und griff nach der Türklinke. »Dann lassen Sie uns in Ruhe und Frieden.« Damit schlug er ihm die Tür vor der Nase zu.
Mit dem Geld in der Hand ging Montclaire nach unten, in Gedanken schon bei besseren Gelegenheiten, es auszugeben, als für ein Loch in der Decke von Zimmer 13.
Sechs
Die Spinne hatte er getötet, weil sie ein fester Bestandteil seines immer wiederkehrenden Albtraums war. Dieser peinigte ihn so sehr, dass er kaum mitansehen konnte, wie die Sonne am Himmel niedersank und im Zwielicht unterging, weil damit auch die Schlafenszeit immer näherrückte.
Es war ein Albtraum voller verzerrter Erinnerungen, die in den Tiefen seines Gehirns umherspukten wie Gespenster. Und am schlimmsten quälte ihn die Spinne. Das spinnenartige Ding. Als ob es irgendetwas verkörperte oder ihn vor etwas warnen sollte.
Schon ein ganzes Jahr lang wurde er von diesem dunklen, immer bedrückender werdenden Traum heimgesucht. Er schien ihn auf irgendetwas hinzuweisen, vorzubereiten – auf eine Bestimmung, auf ein Schicksal, das sich erfüllen musste.
Vielleicht handelte es sich aber auch bloß um die letzten Reste seines absterbenden Glaubens, die sich noch einmal zu einem handfesten Lügengebäude zusammenfügen wollten.
Jedenfalls hatte er tief im Innern das ungute Gefühl, dass tatsächlich ein Sinn oder eine Absicht dahintersteckte, ob ihm dieser Traum nun vom Himmel oder von der Hölle geschickt wurde, und dass er davon genau hierher geführt worden war, nach Mud Creek.
Aber warum? Gott hatte ihn gewiss längst verlassen. Wenn er hier zu seinem letzten Duell antreten musste, würde Gott ihm nicht mehr beistehen.
Solche Gedanken vermied er lieber. Er nippte an seinem Whisky.
Und schaute zur Decke hoch. »Warum, Herr, hast du mich verflucht?«
Nachdem eine Weile völlige Stille geherrscht hatte, verzog er den Mund zu einem grimmigen Grinsen und hob die Flasche hoch, als wolle er jemandem zuprosten.
»Hab ich’s doch gewusst, dass du genau das sagen würdest.«
Mit einem tiefen Schluck verleibte er sich noch mehr von der flüssigen Hölle ein.
Sieben
Mit dem Sonnenlicht schwand ganz allmählich auch der Flascheninhalt. Der Reverend betrank sich langsam und zielstrebig, um an jenes dunkle Ufer zu gelangen, wo er das schwarze Boot seiner Träume besteigen würde, das jedes Mal in Sicht kam, sobald er sich in den Schlaf zu trinken begann.
Schließlich war die Flasche leer.
Erschöpft setzte der Reverend sich im Bett auf, langte nach seinen Satteltaschen und darin nach seiner nächsten Münze für die Fähre. Er holte eine zweite Flasche heraus, entkorkte sie mit den Zähnen, spuckte den Korken aus und legte sich wieder hin. Drei weitere Schlucke, und sein Arm fiel kraftlos zur Seite, auf den Bettrand, wo ihm die Flasche aus der Hand glitt und stehend auf dem Fußboden landete. Ein paar Tröpfchen blubberten ihm noch aus dem Mund.
Die Vorhänge blähten sich in den offenen Fenstern wie blaue geschwollene Zungen.
Ein kühler feuchter Wind verhieß Regen. Donner grollte leise. Und der Reverend ergab sich seinen Albträumen.
Er bestieg ein Boot, einen Stechkahn. Der Fährmann trug Schwarz, mit einer Kapuze, die sein Gesicht verbarg – nur ganz
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