Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene
hatte. A lle paar Meter gaben schmiedeeise r ne T ore in den Mauern den Blick a uf w eiße Häuser in ein e m Di c ki c ht a us b l ühend e n Str ä uche r n frei. U nd alle p aar Meter kreuzt e n sich z w e i Gassen, v o n den e n e i ne si c h den steil a b fallenden Hang h i nunter s c hlängelte, o der eine T reppe w and sich zu e i ner Häuse r gruppe hoch oben unt e r den Wolken h i n a uf. Jedes Haus, das ich s a h, w o l lte ich haben.
Große Straßen gab es überh a upt ni c ht, abg e s e hen von der einen, die v o m H a fen i n die Stadt und w eiter nach Anacapri an der anderen Seite der Insel führte. Was abseits dieser Straße lag, w ar nur zu Fuß zu erreich e n, und das bedeu t ete oft e i nen b e sch w erli c h e n Marsch. Für Li e ferant e n v o n Was c hmasch i n e n muß Capri der schr e ckli c hste Ort der Welt sein.
Die m e i st e n Ges c h ä fte l a gen h i nter der Kirche, i n w ied e r ein e m anderen La b y r i nth a us Gassen und kle i nen P lätz e n v o n un b eschreiblich e m Cha r me. A lle Läden hießen G ucci, Y ves S t. L a u r ent oder hatt e n ein e n ähnli c h exk l usiv e n N a men, w as die V e r m u t ung nahel e gt, daß Capris S o mmerg ä ste reich und unertr ä gli c h se i n müss e n. G l ück l iche r w e i se hatten die meist e n L ä den noch ges c hloss e n, und a uch v o n den mit S e gle r mütz e n a usstaffiert e n T y pen und ihren mit Ju w el e n behängten Fr a uen, die i m S o mmer ihre Kass e n k l inge l n lassen, w ar a uf der Ins e l noch ni c hts z u s e hen.
Ich folgte e i ner Gasse, die v o llst ä ndig v o n den oberen Stock w erk e n der Häuser überdacht w ar und si c h stet i g bergauf durch die Stadt w a nd. A l s die Vill e n rechts und links al l m ä hli c h größer w urden und die Grun d stü c ke w eitl ä ufige r , öffnete si c h die Gasse w i e der dem H i mmel. Sie sti e g so steil a n, daß ich bald schon w ieder a ußer A t e m w ar. M ühs a m setzte i c h e i nen Fuß vor den a nderen. Die L a ndsch a ft w ar viel z u s c hön, um umzuk e hren. Wie von e i n e m Magn e ten angez o gen trieb es mi c h aufwärts. Endlich w urde der Weg eben und führte d urch e i n Ki e fern w äld c hen, in d e m die Luft von d e m Geru c h e r w a c hender P flanz e ns ä fte e r füllt w ar. Während an der einen S e ite stattli c he Vill e n den P fad s ä umten - w ie haben die Leute bloß ihre Möbel hierher g e sch a fft ? -, bot die andere Seite ein e n s c h w i ndelerregenden Blick über die Insel: die Berghänge übersät mit w eißen Häusern, von Hibiskus und Bouga i nvillea und hundert anderen P flanz e narten übe r w u c hert.
Es dämmerte f a st. Ein paar hundert Meter vor mir m achte der Weg einen Bogen durch die Bäu m e, um d a nn unve r m it telt in e iner Aussi c htsplat t fo r m z u e nden, die w ie eine kle i ne V e randa i m H i mmel über e i n e m at e m be r aubenden A bg r und h i ng. I c h hatte das Gefühl, daß der Zufall mi c h an ein e n Ort geführt hatte, a n dem seit Jahren ke i n Mensch m e hr g e w e sen w ar, j edenfalls ke i n Tourist. Noch nie habe ich e t w as a u c h nur halb so Schön e s ges e hen: Über den Hang auf der einen Seite ergoß sich das Städtch e n Capri, auf der anderen Seite funke l ten die Li c hter der Häuser, die si c h um die Bucht von Anacapri s c harten, und vor m ir fielen die K lippen s c hroff zum Meer ab, das i n der T iefe i m sattesten A q u a marin geg e n die Fels e n s c h l ug. I c h bef a nd mi c h so hoch über d e m Meer, d a ß ich das Donne r n der Brandung nur als le i ses F l üste r n w a hrn a h m . Die Scheibe des M o ndes strahlte w e iß v o m blaßblauen A bendh i mmel, eine lei c hte Brise spielte mit m e i n e n Haar e n, und i n der Luft hing der Duft von Zitrusbäumen, Geißblatt und Ki e fern. Vor mir lag, still und verlo c kend, das off e ne Meer. 250 Kilo m eter ni c h t s als Wasser, bis Sizilien. Ich w ürde alles, w i r kli c h alles t un, um diese Aussicht zu besitzen. I c h w ürde dafür durchs F e uer geh e n. I c h w ü r de m e i ne Mutter an Robert Max w ell verkaufen und m e i ne Sta a tsbü r gers c haft ablegen. Ich w ürde sogar m i t Andr e w N e u die Haare tauschen.
Dann b e m e r kte i c h über mir, fast direkt über dies e m g e he i men Ort, die Veranda e i ner e t w a s zurü c kli e gend e n V i lla. Es gab also j e m a nden, der diese A ussi c ht besaß, der j e den Morgen m i t sein e m Müs l i und se i n e m Orangens a
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