Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene
Rund um die Bu c ht funkelt e n die e r sten Li c hter, und a m H i mmel ging e n al l mählich d i e Sterne auf. Die Luft w ar wa r m und roch nach fr i sch e m Brot. Ich w ar der Vollk o mmenheit so nahe w ie noch nie in me i n e m Leb e n.
Auf der Landspitze an der gegenüberlieg e nden Se i te der Bucht l a g das Städtchen P ozzuoli, ein Vorort von Neapel und die H e i m a t stadt von Sophia Loren. Die Bürger von P ozzuoli könn e n von si c h behaupten, a uf d e m geologisch instabilsten F leck c h e n Erde dieses P laneten z u leben. 4000 Mal i m Jahr bebt der Boden unter ihren Füßen. M a n c h m a l w erden bis zu hundert Erdbeben a m T ag registriert. Die E i n w o hner v o n P ozzuoli sind so daran g e wöhnt, daß ihn e n der P utz von der Decke in die Suppe fällt und daß ihre Großmütter unter eins t ürz e nden S chornste i n e n begraben w erden, daß sie kaum mehr Notiz dav o n n e hmen.
In Kalabrien gehör e n Erdbeben zum t ä gli c hen Leb e n. Bei dem Beben von 1980 haben in N e apel 120 000 Mensch e n i hr D ach über dem Kopf verloren, und j ed e rzeit ist m it e i n e m noch stärke r en Beben zu rechn e n. Dabei sind die Dörfer an so steile Bergh ä nge g e baut, d a ß sie auss e hen, a l s w ürd e n sie schon be i m le i sest e n Groll e n der Erde ins Meer h i nabru t sch e n. U nd noch da z u g r umm e lt ständ i g der nach w ie vor beängst i g e nd akt i ve Vesuv i m H i nte r grund. Zulet z t brach er 1944 aus; d a m it ist dies seine l ä ngste Ruheperiode seit d e m Mittelalter. Hört sich all e s ni c ht gerade e r mut i gend a n, oder?
L a nge starrte ich über das Wasser zu den Lichtern v o n P ozzuoli hinüber und horchte a uf e i n d u m p fes Groll e n oder auf die Geräus c he berstender Erde, aber nichts dergleich e n w ar zu hören, nur das Brummen e i nes F l ugzeug e s hoch über m ir, w o e i n blinkender rot e r P unkt g e mäch l ich über den H i mmel w anderte, und das beruh i g e nde Rausch e n des Ve r kehrs i m H i nterg r und.
Über die abenteuerlich steile und prach t volle Via da Maio ging i c h a m nächsten Morgen z um H a fen von Sorrent h i nunter und setzte i m strahl e ndst e n Sonn e ns c he i n an Bord eines fast leer e n Luf t kissenbootes nach Capri über, e i ne bergige, g r üne Fe l sn a se fünfz e hn Kil o m eter vor der Westspitze der Halbinsel Sorrent.
Der erste Eindru c k v o n Capri w ar nicht gerade vi e lve r sprechend. U m den Haf e n hatt e n si c h e i n p aar un a ns e hnl i che Läden, Cafes und Kartenve r kaufsste l len der ve r schied e nen Reedereien anges i edelt, d ie alles a mt g e schloss e n zu se i n schi e nen. Mit Ausn a hme e i nes Se e manns, der träge das Boot a m K a i vertäute, w ar keine Mens c h e nseele zu s e h e n. V o m H a f e n führte e i ne Straße f a st s e nkrecht ein e n Berg h i n a uf, und a m Straß e nrand ve r kündete e i n Sch i ld C A P RI 6 KM.
» S e c hs Kil o mete r « , kreis c hte i ch.
Ich hatte z w e i völlig unb r auchbare Reis e führer von Italien i m Gepäck, so unbrau c hbar, daß es si c h nicht e inmal l o hnt, ih r e T itel zu nenn e n, hö c hst e ns viellei c ht zu s a g e n, daß der eine hätte Laß uns einen anderen Reiseführer kaufen heißen soll e n; der andere w ar Fodor's (ich habe grad eben gelog e n), und ke i n e m v o n beiden w ar auch nur a ndeu t ungs w e i se z u en t n e h m e n, daß das Städt c hen Capri kil o m e te r w eit v o m H a f e n entfernt lag, und z w ar a uf dem Gi p fel eines ve r tikal e n Bergh a ng e s. In beiden B üche r n kl a ng es, a ls müsse man nur das Schiff verlassen, und s c hon w äre man da. D och v o m Haf e n aus betrachtet, s c hi e n das Städtch e n hoch oben in den Wolken zu lieg e n.
Die Seilbahn, die den Berg h inauffuhr, w ar außer-Betrieb. ( Ä ts c h!) Am H a f e n stand e n w eder Busse noch T axis, ni c ht e i nmal ein Es e l. Seufzend set z te ich mich i n B e w egung. Au c h w e nn ein i ge hübs c he Villen und der Blick über das Meer ein w enig für die Strapazen ents c hädigten - e s w ar e i n ze r mürb e nder Aufs t ieg. I n l a nggezogen e n Serpentin e n s c hl ä ng e lte si c h die Straße den Berg hinauf, und na c h einer Weile errei c hte i c h e ine si c h steil berg a uf w i nd e nde T reppe, die von der Straße auf ein e m direkteren Weg in die Stadt zu führ e n schi e n. I c h e nts c hied mi c h für die T reppe. Nie zuvor habe i c h e i ne so lange T reppe gesehen. S ie nahm und
Weitere Kostenlose Bücher