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Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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nicht besonders gut zu gefallen, aber vielleicht gewöhnte er sich ja dran. »Gib es mir!« befahl er.
»Unterschreiben Sie den Scheck, sparen Sie sich Ihre erzieherischen Maßnahmen, dann zeige ich Ihnen, wo es ist.«
»Unterschreiben Sie nicht, Senator«, riet Jim.
»Halt’s Maul, Jim!« erwiderte Mulkern.
»Genau, Jim, halt’s Maul!« stimmte ich zu. »Hol dem Senator einen Knochen oder so.«
Mulkern starrte mich an. Das schien seine Einschüchterungstaktik zu sein, doch wirkte sie nicht bei einem Menschen, auf den die letzten Tage in einem fort geschossen worden war. Er brauchte ein paar Minuten, aber dann sah er es wohl ein. »Egal, was passiert, ich mach’ dich fertig!« drohte er mir, unterzeichnete aber den Scheck mit der richtigen Summe und überreichte ihn mir.
»Versprochen«, entgegnete ich.
»Jetzt gib mir das Foto!«
»Ich habe gesagt, daß ich Ihnen verrate, wo es ist, Senator. Ich habe nie gesagt, daß ich es Ihnen gebe.«
Mulkern schloß kurz die Augen und atmete schwer durch die Nase. »Gut. Wo ist es?«
»Da drüben«, antwortete Angie und zeigte auf die andere Seite der Bar.
Dort steckte Richie Colgan seinen Kopf hinter einem Farn hervor. Er winkte uns zu, sah dann Mulkern an und grinste. Ein breites Grinsen. Die Mundwinkel reichten fast bis an die Augenlider.
»Nein«, stieß Mulkern aus.
»Ja«, verbesserte Angie und klopfte ihm auf den Arm.
Ich sagte: »Sieh es mal von der guten Seite, Sterl: Du mußt Richie keinen Scheck ausstellen. Er macht dich umsonst fertig.« Wir erhoben uns vom Tisch.
Mulkern drohte uns: »Ihr seid erledigt in Boston. Ihr bekommt nicht mal mehr Sozialhilfe.«
»Wirklich? Dann kann ich ja genausogut zu Richie gehen und ihm erzählen, Sie hätten mir diesen Scheck gegeben, damit ich Ihren Part in dieser Affäre verschweige.«
»Und was hättest du davon?« fragte Mulkern.
»Dann wären Sie in derselben Situation, in die Sie mich bringen möchten. Und darauf können Sie wetten, das würde mich bestimmt glücklich machen.« Ich nahm mein Bier und trank es aus. »Und, wollen Sie mich immer noch fertigmachen, Sterl?«
Mulkern hielt den Umschlag in der Hand. »Brian Paulson ist ein guter Mensch. Ein guter Politiker. Diese Fotos sind fast sieben Jahre alt. Warum soll das jetzt ausgegraben werden? Das ist doch längst vorbei.«
Ich grinste und zitierte ihn: »Alles jenseits von gestern ist jung, Senator.« Dann stieß ich Jim mit dem Ellenbogen an. »Ist es nicht immer so?«

32_____
    Wir versuchten, uns mit Richte auf dem Parkplatz zu unterhalten, aber es war, als spräche man mit jemandem, der im Flugzeug vorbeifliegt. Er schaukelte hin und her und unterbrach uns ständig mit einem: »Wart mal eben, ja?« Dann flüsterte er etwas in sein tragbares Aufnahmegerät. Den Großteil seiner Kolumne schrieb er wahrscheinlich im Stehen auf dem Parkplatz des Hyatt Regency.
    Wir verabschiedeten uns, und er tänzelte auf Zehenspitzen zu seinem Auto zurück. Wir mochten Socia umgebracht haben, doch Richie würde Paulson erledigen.
    Wir nahmen ein Taxi nach Hause; in den stillen Straßen lagen die Überreste des Feuerwerks; der Wind trug den bitteren Beigeschmack von Schwarzpulver mit sich. Der Drang, Mulkerns Schoßhund vor seinen Augen zu erledigen, wurde langsam schwächer, wich aus dem Taxi auf die verlassenen Straßen, verschwand in der Dunkelheit, die sich zwischen den Straßenlaternen auf uns legte.
    Als wir bei mir ankamen, ging Angie schnurstracks auf den Kühlschrank zu und holte eine Flasche Wein aus der Tür. Dann nahm sie ein Weinglas aus dem Schrank, doch das schien mir nicht viel Sinn zu machen, als ich sah, wie schnell sie trank; man hätte ihr den Wein auch gleich intravenös spritzen können. Ich holte mir ein paar Bier, und wir setzten uns bei geöffneten Fenstern ins Wohnzimmer, lauschten dem Wind, der eine Bierdose die Straße hinunterblies. Sie hüpfte auf dem Asphalt auf die nächste Ecke zu.
    Ich wußte, daß ich in einer Woche oder so mit Genugtuung auf diesen Tag zurückblicken würde, daß ich Mulkerns Gesichtsausdruck in jenem Augenblick genießen würde, als er merkte, daß er mir gerade eine Menge Geld dafür gezahlt hatte, daß ich sein Leben kaputtmachte. Irgendwie war es mir gelungen, eine seltene Heldentat zu vollbringen: Ich hatte jemanden aus dem State House zur Rechenschaft gezogen. In einer Woche würde mich das froh stimmen. Jetzt jedoch nicht. Jetzt mußten wir uns mit etwas ganz anderem auseinandersetzen. Die Luft war erfüllt von der Schwere der

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