Stuermische Gefahr
ein paar Minuten würde es aus der Verankerung gerissen. Er hielt sie fest umschlungen und streichelte ihren Rücken. Sie fühlte sich sicher. Da draußen tobte ein Hurrikan ungeahnten Ausmaßes, aber Scarlett hatte das Gefühl , sicher zu sein. Doch dann fiel ihr etwas ein. Sie griff wieder in ihre Kleidtasche. Das Haus wurde erneut erschüttert. Sie holte das Gris - gris heraus , legte es in seine Handfläche und legte ihre Hand in seine. „Ich liebe dich mehr als mein Leben, Aidan.“ Sie sah in seine mitternachtsblauen Augen. Er musste nichts sagen. Seine Hand war warm und der Talisman ebenfalls.
Nein, sie würden nicht sterben. Nicht heute und nicht hier.
Epilog
Anfang Januar 2013, International Falls (Minnesota)
Barrett schloss die Tür zu seinem kleinen Haus auf. Das Thermometer zeigte auch jetzt um die Mittagszeit noch -20 °C Grad an. Er liebte die Kälte. Er liebte die Winter in Minnesota. So konnte auch er ab und zu das Haus verlassen. Niemand wunderte sich dann über die Skimaske, die er trug. Die Wärme seines Hauses schlug ihm entgegen. Er brachte seine Einkäufe in die Küche und warf im Vorbeigehen einen Blick auf den Rechner, den er nie ausschaltete. Zwei neue E -M ails. Er schlüpfte in seinen Jogger, verstaute die Lebensmittel und legte Holz im Kamin nach. Mit einer Tasse Kaffee setzte er sich vor seinen PC. Die erste Mail war von Aidan. Er betrachtete erst das Foto. Die gesamte Familie lächelte ihm entgegen. Aidan als Weihnachtsmann verkleidet, Scarlett und die beiden Töchter Tara und Lily. Er begann zu lesen:
„Hey Bruderherz. Wir hatten so gehofft, dass du Weihnachten oder zumindest Silvester mal reinschneien würdest. (Den Schnee hättest du allerdings mitbringen müssen). Deine Nichten möchten dich endlich kennenlernen. Ich vermisse dich. Aber was soll ich sagen oder schreiben? Du bist uns immer willkommen. Scarlett meint, du kämest irgendwann, wenn du so weit wärest. Ich frage mich , wie viele Jahre das denn noch dauert? 8 Jahre sind verdammt lang. Ich weiß, dass du es so wolltest, aber du hast hier eine Familie, die auf dich wartet. Also dann … Vielleicht sehen wir uns an Taras viertem Geburtstag im Februar? Pass auf dich auf. Aidan.“
Er schloss kurz die Augen. Er sah sie alle vor sich in diesem wunderschönen Herrenhaus im Garden District von New Orleans. So viele Fotos hatte er schon davon gesehen. Auch von den Pecanbäumen, die sie hatten anpflanzen lassen. Scarlett und Aidan hatten mehr als Glück gehabt, als Katrina damals das Haus der Blues aus der Verankerung gerissen hatte. Es war von zwei mächtigen Pecanbäumen eingeklemmt worden. Zwischen ihren Matratzen hatten die beiden unverletzt den Aufprall überlebt. Als die Flut kam , waren sie auf das Dach geklettert und hatten nicht lange auf Rettung warten müssen. Er selbst hatte Corey verrückt gemacht, so dass der , sobald es möglich war, über seine Verbindungen im Superdome Erkundigungen eingeholt hatte. Über Lily Blue hatten sie erfahren, wo die beiden waren , und Corey hatte sie vom Dach holen lassen.
Er freute sich für seinen Bruder. Aufrichtig. Aidan hatte alles Glück dieser Welt verdient. Aber er selbst hatte bei dieser Familie nichts verloren. Er hatte ihnen nichts zu sagen. Wenn er im Sommer doch mal vor die Tür musste, dann wechselten viele Menschen die Straßenseite, wenn sie ihn sahen.
Wie hätte er da jemals seinen kleinen Nichten unter die Augen treten können. Er öffnete die zweite Mail. Sie war von Corey Snyder. Der Mann war mittlerweile 60 und hatte die Special Agen ts of Justice immer noch fest im Griff. Und Barrett war stolz darauf , einer von ihnen zu sein. Einer der wichtigsten. Er war der Kopf am Rechner. Er begann , auch diese Mail zu lesen:
„Herzlichen Glückwunsch! Dein erster Außeneinsatz wartet auf dich. Halte dich morgen früh um 8 :00 Uhr bereit. Eine Limousine wird dich zum Flughafen bringen. Es geht nach Paris. Alles weitere auf dem Weg. C.S.“
Barrett sprang auf, das war gegen jede Abmachung. Auch wenn er die Ausbildung für Außeneinsätze mitgemacht hatte. Er wollte nicht da raus. Er hatte dieses Haus hier fast acht Jahre so gut wie nie verlassen. Ihm reichte die virtuelle Welt. Die Welt da draußen existierte im Grunde nicht mehr. Er stand auf. Ihm war schlecht, als er ins Badezimmer ging. Er spritzte sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Er starrte die kahlen Fliesen über dem Waschbecken an. Es gab keinen Spiegel. Seit acht Jahren hatte er sein Gesicht nicht
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