Stuermische Gefahr
war eine wunderschöne Frau , aber sie hatte mindestens achtzig Kilo Übergewicht. S carlett schaute in den Mülleimer unter dem Tresen. Acht Snickers hatte ihre Kollegin heute zu sich genommen, abgesehen davon, dass sie sicher auch ein warmes Mittagessen hatte. In ihrem Job hätte sie es besser wissen und sich gesünder ernähren müssen , aber solange ihre Blutwerte in Ordnung waren, würde Mia auf ihre Nervennahrung nicht verzichten. So hatte jeder seine eigenen Mechanismen , mit denen er sein Leben meisterte.
Sie machte Ordnung auf dem Tresen und wollte ihre erste Runde beginnen, als Dr. Lance Del Monte auf sie zukam. Del Monte stammte aus einer reichen Familie in New Orleans, hatte seinen Abschluss in Harvard gemacht. Er war einer der besten Ärzte der USA. Spezialisiert auf Gehirnchirurgie. Zu allem Überfluss sah er auch noch unglaublich gut aus. Anfang vierzig, groß, schlank, dunkelbraune Haare, die an den Schläfen langsam ergrauten. Was ihn noch seriöser und noch besser aussehen ließ. Seine braunen Augen hatten einen wachen Ausdruck , und ihnen schien nichts zu entgehen. Sämtliche Schwestern erstarrten in Ehrfurcht, wenn er die Flure entlangschritt. Niemand schien ihm jemals zu widersprechen oder seine Entscheidungen in Frage zu stellen. In zwei Monaten sollte seine Nachfolge als Klinikleiter bekannt gegeben werden. Zu allem Überfluss war er auch noch zu haben. Er war nie verheiratet gewesen. Man hatte ihm zahl reiche Affären nachgesagt, aber ob das tatsächlich der Wahrheit entsprach, wusste sie nicht. Er schien ganz in seinem Beruf aufzugehen. Vielleicht war er auch noch einer der wenigen Männer, die auf die richtige Frau warteten. Auf die Eine, die alles in den Schatten stellte , und mit der er eine Familie gründen konnte. Vielleicht war er auch einfach nur vorsichtig. Ein Mann mit seinem Familienhintergrund, in seiner Position mit so viel Geld auf dem Konto wurde schnell Opfer von Frauen, die es eben nur auf das Bankkonto abgesehen hatten.
Scarlett hatte sich von all dem nie beeindrucken lassen. Mit reichen, mächtigen Männern hatte sie genug Erfahrung sammeln können , und die waren auch nicht besser, als jeder andere aus armen Verhältnissen – eher schlimmer. Aber vielleicht lag es an dieser unbeeindruckten Haltung, dass Lance Del Monte zu ihr ein fast freundschaftliches Verhältnis aufgebaut hatte. Sie war die Einzige, die ihn beim Vornamen nennen durfte. Seine Einladung zum Essen hatte sie jedoch letzte Woche ausgeschlagen. Trotzdem gab es keine Ver änderung in ihrer täglichen Zusammenarbeit. Das rechnete sie ihm hoch an.
Lächelnd lehnte er sich an den Tresen. „Hallo, Scarlett.“
„Hallo, Lance.“
„Die Hitze macht alle ganz verrückt. Ich denke mal, du hast den Tag verschlafen?“
„Ja. Irgendwas Neues, das ich wissen müsste?“ Verdammt, er war so nett zu ihr. Instinktiv versuchte sie, nur über die Arbeit mit ihm zu sprechen. Etwas anderes konnte und wollte sie nicht zulassen. Das Flirten hatte sie aus ihrem Leben ge strichen, denn aus einem Flirt konnte schnell mehr werden. Dieses „mehr“ würde zu nichts führen. Die Vergangenheit war noch zu frisch, sie tat noch zu weh. Sie hatte auf die harte Tour lernen müssen, dass Vertrauen und Verliebtheit zu schnell missbraucht werden konnten. Eines hatte sie sich geschworen , und das war, die Fehler aus der Vergangenheit nicht mehr zu wiederholen, selbst wenn es bedeutete , ihr Leben allein zu ver bringen.
Er griff über den Tresen und angelte nach einem Patienten blatt. „Unser John Doe ist noch nicht aufgewacht.“
John Doe war ein unbekannter Mann, den man aus dem Mississippi gefischt hatte. Er war bewusstlos ins Regional Medical Center Krankenhaus in Baton Rouge eingeliefert worden. Schnell hatte man ihn nach New Orleans zu Del Monte geflogen. Er war mit einer Epiduralblutung eingeliefert worden, die durch ein Schädel-Hirn-Trauma ausgelöst worden war. Die Polizei vermutete, dass er einen schweren Schlag auf den Kopf erhalten haben musste. Arbeiter des Hochseehafens hatten ihn herausgefischt, gerade noch rechtzeitig. Del Monte hatte seinen Schädel hinter und vor dem Ohr öffnen müssen , um die Blutung und Schwellung in den Griff zu bekommen. Die Operation war gut verlaufen, aber durch die Sauerstoff unterversorgung lag er immer noch im Koma. Im Moment konnte niemand voraussagen, wann er aufwachen würde. Und selbst wenn er aufwachte, war nicht absehbar, ob es keine Folgeschäden geben würde. Die Polizei rief
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