Stufen: Ausgewählte Gedichte
sich drehenden Sterne blickend,
Atmen wir des Weltraums Winter ein,
Sind befreundet mit dem Himmelsdrachen;
Kühl und wandellos ist unser ewiges Sein,
Kühl und sternhell unser ewiges Lachen.
A N DEN INDISCHEN D ICHTER B HARTRIHARI
Wie du, Vorfahr und Bruder, geh auch ich
Im Zickzack zwischen Trieb und Geist durchs Leben,
Heut Weiser, morgen Narr, heut inniglich
Dem Gotte, morgen heiß dem Fleisch ergeben.
Mit beiden Büßergeißeln schlag ich mir
Die Lenden blutig: Wollust und Kasteiung:
Bald Mönch, bald Wüstling, Denker bald, bald Tier;
Des Daseins Schuld in mir schreit nach Verzeihung.
Auf beiden Wegen muß ich Sünde richten,
In beiden Feuern brennend mich vernichten.
Die gestern mich als Heiligen verehrt,
Sehn heute in den Wüstling mich verkehrt,
Die gestern mit mir in den Gossen lagen,
Sehn heut mich fasten und Gebete sagen,
Und alle speien aus und fliehen mich,
Den treulos Liebenden, den Würdelosen;
Auch der Verachtung Blume flechte ich
In meines Dornenkranzes blutige Rosen.
Scheinheilig wandl ich durch die Welt des Scheins,
Mir selbst wie euch verhaßt, ein Greuel jedem Kinde,
Und weiß doch: alles Tun, eures wie meins,
Wiegt weniger vor Gott als Staub im Winde.
Und weiß: auf diesen ruhmlos sündigen Pfad
Weht Gottes Atem mich, ich muß es dulden,
Muß weitertreiben, tiefer mich verschulden
Im Rausch der Lust, im Bann der bösen Tat.
Was dieses Treibens Sinn sei, weiß ich nicht.
Mit den befleckten, lasterhaften Händen
Wisch ich mir Staub und Blut vom Angesicht
Und weiß nur: diesen Weg muß ich vollenden.
Verse im Krankenbett
Pfeifen
Klavier und Geige, die ich wahrlich schätze,
Ich konnte mich mit ihnen kaum befassen;
Mir hat bis jetzt des Lebens rasche Hetze
Nur zu der Kunst des Pfeifens Zeit gelassen.
Zwar darf ich mich noch keinen Meister nennen,
Lang ist die Kunst und kurz ist unser Leben.
Doch alle, die des Pfeifens Kunst nicht kennen,
Bedaure ich. Mir hat sie viel gegeben.
Drum hab ich längst mir innigst vorgenommen,
In dieser Kunst von Grad zu Grad zu reifen,
Und hoffe endlich noch dahin zu kommen,
Auf mich, auf euch, auf alle Welt zu pfeifen.
B ELEHRUNG
Mehr oder weniger, mein lieber Knabe,
Sind schließlich alle Menschenworte Schwindel,
Verhältnismäßig sind wir in der Windel
Am ehrlichsten, und später dann im Grabe.
Dann legen wir uns zu den Vätern nieder,
Sind endlich weise und voll kühler Klarheit,
Mit blanken Knochen klappern wir die Wahrheit,
Und mancher lög und lebte lieber wieder.
D ER T OD ALS A NGLER
Es sitzt der Tod und angelt uns mit schnöder,
Unsichtbar dünner Leine aus dem Leben.
Uns hilft kein Klugsein und kein Mühegeben;
Er hat Geduld, und magisch lockt sein Köder.
Wen seine Angel packt, der mag sich bohren
In Sand und Schlamm und alle Listen üben,
Der Tod sitzt in ihm, nicht am Ufer drüben!
Selbst wenn die Leine reißt, ist er verloren.
Er mag, entronnen, im durchwühlten Grunde
Noch lange Zeit erschrocken sich verkriechen,
Wohl ist er frei, doch nur um hinzusiechen.
Die Lust ist hin. Die Angel sitzt im Schlunde.
G ICHT
An Tagen, wo ich meine Finger biegen kann,
Vergehn mit Verseschreiben mir die Stunden,
Und wenn ich einen guten Vers gefunden,
Geht mich die Welt, die Gicht, der Schmerz nichts an.
An andern Tagen geht das Schreiben nicht.
Dann lausch ich dem, der tief in meinen Knochen
Sich dehnt und immer weiter kommt gekrochen.
Es ist der Tod, doch nennen wir ihn Gicht.
Ich lieb ihn nicht, oft liegen wir im Streit.
Doch weiß ich manchmal, daß er nicht im Bösen
Sich um mich müht. Sein Amt ist das Erlösen,
Und willig folg ich eine Strecke weit.
Wenn wir einst ganz versöhnt und einig sind,
Dann werd ich ihn nicht Gicht, nicht Tod mehr nennen.
Als ewige Mutter werd ich ihn erkennen,
Als Liebe seinen Ruf, und mich als Kind.
Gedichte des Sommers 1929
L AMPIONS IN DER S OMMERNACHT
Warm in dunkler Gartenkühle
Schweben bunte Ampelreihn,
Senden aus dem Laubgewühle
Zart geheimnisvollen Schein.
Eine lächelt hell zitronen,
Rot und weiße lachen feist,
Eine blaue scheint zu wohnen
Im Geäst wie Mond und Geist.
Eine plötzlich steht in Flammen,
Zuckt empor, ist rasch verloht ...
Schwestern schauern still zusammen,
Lächeln, warten auf den Tod:
Mondblau, Weingelb, Sammetrot.
V ERFRÜHTER H ERBST
Schon riecht es scharf nach angewelkten Blättern,
Kornfelder stehen leer und ohne Blick;
Wir wissen: eines von den nächsten Wettern
Bricht unserm müden Sommer das Genick.
Die Ginsterschoten knistern. Plötzlich wird
Uns das fern und sagenhaft
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