Sturm der Leidenschaft (German Edition)
einen Kanten ab und brachte es ihm.
Statt zu danken, brummte er:
„Sie kann ihm was rüber bringen.“
Mary presste die Lippen aufeinander und begab sich zurück in die Küche.
Anne hatte die Worte des Bauern gehört und erhob sich nun, um eine weitere Schale zu füllen.
„Machst ihm jetzt das Dienstmädchen?“, sagte Mary mit kaum verhohlenem Zorn.
Anne antwortete nicht, sondern schob mit einem Bein den Schemel zur Seite, auf dem sie gesessen hatte und ging hinaus.
Gerade aber, als sie das Feuer passierte, hielt der Bauer sie am Arm fest, zog die Schale zu sich heran und spie hinein.
„So. Jetzt kannst es ihm bringen.“
Anne aber schüttete den gesamten Inhalt ins Feuer und holte neue Suppe. Sein donnerndes Lachen war noch in der Scheune zu hören, wo Declans Schlafstelle war.
Sie erkannte seinen Umriss tief im Heu, gegen die Wand gedrückt.
„Dein Essen …“, sagte sie knapp und stellte die Schale auf den Boden.
Es brauchte keine besondere Kennerschaft, um zu sehen, dass er Blutflecken auf dem Hemd hatte. John hatte ihn also erwischt.
„Ich will nichts“, zischte er.
Anne zuckte mit den Schultern und ging in Richtung Tor.
„Nicht mein Problem.“
Sie musste nicht hinsehen um zu wissen, wie groß seine graublauen Augen in dem bleichen Gesicht lagen. Die ausdrucksvollen Lippen, das unregelmäßig geschnittene blonde Haar , dessen Spitzen seine Züge wie einen Rahmen umgaben.
Selbst Schmutz und Blutspritzer vermochten nicht, ihn zu entstellen.
Auch nicht der Hunger, der tiefe Schatten unter seine Wangenknochen legte. Nicht einmal der Hass, der sich wie eine schwarze Wolke auf seinem Gemüt ausbreitete, befleckte seine Schönheit.
Wie träumerisch, wie verloren, diese Augen in die Welt blickten. Und der hagere Leib, der die eiserne Kraft seiner Muskeln noch mehr zur Geltung brachte.
Solange sie denken konnte, hatte sie ihn angesehen. Hatte er sie fasziniert mit seinem verschlossenen Wesen. Er war immer so schweigsam, dass sie stets sicher gewesen war, hinter diesem Schweigen müssten sich tiefe, aufregende Geheimnisse verbergen.
Und immerhin war er der Einzige, der dem Bauern stets die Stirn bot. Wenn auch mit blut igen Folgen.
Es war jene Aufmüpfigkeit, die John die Begründung für immer wiederkehrende Exzesse Declan gegenüber boten.
So sehr, dass die beiden Frauen sich sicher waren, dass er den Knecht eines Tages totschl agen werde.
Mit Declan war es wie mit einem verkrüppelt geborenen Tier: Man tat gut daran, sein Herz nicht allzu sehr an die Kreatur zu hängen, denn man konnte sie jederzeit verlieren.
Diese Lektion hatte Anne früh gelernt und an die hielt sie sich.
„Ich will den Fraß nicht. Und das Schwein hat eh unter Garantie rein gepisst.“
„Hat er nicht“, erwiderte Anne ebenso mürrisch.
„Gehst du wieder rüber?“
Sie wandte sich ihm zu. Ihr Gesicht war ausdruckslos.
„Wieso?“
Declan zuckte mit den Schultern.
„Brauchst du was?“
Er zog die Beine im Schneidersitz unter sich.
„Ja. Eine Pistole, damit ich dem Teufel eine Kugel vor den Kopf schießen kann …“
Sie mussten in diesem Moment beide lächeln, wenn auch Anne wusste, dass – gäbe man ihm eine solche Waffe – Declan keinen Moment davor zurückschrecken würde, sie auch einzusetzen. Eines Tages würde etwas Furchtbares geschehen. Daran konnte es keinen Zweifel geben.
„Essen musst du aber hinlänglich. Wenn du ihn denn totschießen willst …“
„Das werd ich! Kannst dich drauf verlassen!“
Declan rief es im Ton eines bockigen Kindes, was aber Anne keinesfalls missdeutete.
Der Hass der beiden Männer aufeinander war abgrundtief und alles, was sie bis jetzt davon abgehalten hatte, ihre Wünsche in die Tat umzusetzen, lag alleine darin begründet, dass sie es in irgendeiner merkwürdigen Art zu genießen schienen, sich zu hassen.
Ja, es war sogar so, dass Anne manchmal dachte, sie arbeiteten beide auf einen Akt der R ache hin, der weit über alles hinausging, was mit der reinen physischen Vernichtung zu tun hatte.
Gerade so a ls genüge es ihnen nicht, dass der andere nur starb.
Und Mary und sie konnten nichts tun, als dabei zuzusehen, wie die beiden Männer auf eben jenen Moment zusteuerten, den die Bibel die Dies Irae , die Tage des Zorns nannte.
Ein Grund mehr, sich nicht an den Kerl zu hängen , hatte Mary einmal gesagt, als sie sich darüber unterhalten hatten.
Und doch war da noch ein anderes Gefühl in Anne. Eines, das sie nicht zu formulieren wagte. Ja, über das
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