Sturm ueber Cleybourne Castle
wir Rachel und Michael und erzählen ihnen unsere Neuigkeit." Er liebkoste mit den Lippen ihre Stirn und vergrub dann das Gesicht in ihrem Haar. „Wenn ich bedenke ...", murmelte er. „Wir haben noch Zeit bis zum Abendessen, und Gaby wird Rachel sicherlich die nächste halbe Stunde beschäftigen ..."
Lachend blickte Jessica zu ihm auf. „Wüssten denn Euer Gnaden, wie wir diese halbe Stunde verbringen könnten?"
„Das weiß ich, Miss Maitland! Das weiß ich ganz genau."
Rasch ging er zur Tür und drehte den Schlüssel im Schloss. Dann kehrte er zurück und sah Jessica dabei fest in die Augen, verlangend, triumphierend, glückstrahlend. Er hob sie empor und trug sie zum Bett.
Als sie beide nach einer Weile wieder in die Wirklichkeit zurückkehrten, war Jessicas Herz von einem grenzenlosen Glücksgefühl erfüllt. Endlich hatte sie Liebe und mit dieser Liebe eine Heimat gefunden.
Zwei Tage später waren die Straßen wieder passierbar, und zur Erleichterung aller Bewohner von Cleybourne Castle konnten die Gäste ihre unfreiwillig unterbrochene Reise fortsetzen. Lord und Lady Vesey nahmen Darius Talbot in ihrer Kutsche mit nach London. Mr. Cobb transportierte Radfield Addison zum Gerichtsgefängnis und machte sich mit den Juwelen von Mr. Gilpin ebenfalls auf den Weg nach London, während die restlichen Gäste nach York aufbrachen.
Im Hause breitete sich endlich Weihnachtsstimmung aus. Nach zwei Tagen dämmerte der Heilige Abend hell und klar herauf, und die blasse Wintersonne beschien die malerisch verschneite Landschaft.
Vier Lakaien schleppten den schweren Julkloben in den riesigen Kamin in der Halle, und Richard zündete ihn mit einem Span des vorjährigen an, den die Dienerschaft immer mit den besten Wünschen für ihren Herrn aufbewahrte, auch wenn der Duke selbst nicht anwesend war. Danach versammelten sich alle zu einem Festmahl an einem mit lauter Leckerbissen beladenen langen Tisch. Es gab Roastbeef und Wildbraten, gefüllte Gans und Fasane und viele verschiedene Gemüsesorten. Das Hauptgericht aber war eine Hackfleischpastete, von der zwölf Tage lang ein Stück verzehrt wurde, wodurch den Bewohnern des Hauses für die kommenden zwölf Monate Glück und Segen gesichert werden sollte. Das Mahl wurde nach altem Brauch mit einem riesigen Weihnachtspudding beendet, der am ersten Adventssonntag hergestellt worden war, umgeben von Pfefferkuchen, Zuckerpflaumen und Ingwernüssen, sodass am Schluss niemand mehr auch nur noch einen einzigen Bissen hinunterbekam.
Dann folgte in der großen Halle die Bescherung der Bediensteten, und danach stießen die Herren mit einem kräftigen Punsch an, die Damen hingegen mit einem Glas Wein.
„Ich glaube, das ist seit langem der schönste Weihnachtsabend", sagte Rachel und lächelte Jessica und Richard viel sagend an.
„Wundervoll, in der Tat", bestätigte Michael und sah seine Frau einen Herzschlag lang an. Dann lächelte auch er und fügte hinzu: „Ein schönes Fest, gute Freunde und eine Familie."
Nachdem die Gläser geleert worden waren, zog Richard Jessica zur Seite, griff in die Tasche seines Fracks und flüsterte: „Ich habe ein Geschenk für dich."
„Richard! Aber wie ... " Die beiden Frauen und Gabriela hatten in den vergangenen Tagen ein paar Handarbeiten angefertigt, aber niemand hatte zum Einkaufen ins Dorf gehen können.
Schmunzelnd zog Richard die Hand aus der Tasche und öffnete sie. Auf der Handfläche lag ein kostbarer Ring.
„Oh, wie schön!" rief Jessica überrascht.
„Es ist dein Verlobungsring", erklärte Richard. „Erst hatte ich an die berühmten Cleybourne-Smaragde gedacht. Aber du hättest sie vielleicht gar nicht haben wollen, und sie wären dir wohl auch zu prunkvoll gewesen. Dieser Saphir ist auch sehr schön und nicht so - wie soll ich sagen - nicht so auffällig. Er gehörte meiner Mutter, und sie hatte ihn von ihrer Mutter bekommen."
„Er ist wunderschön." Vorsichtig nahm Jessica den Ring in die Hand. Der klarblaue Saphir war von winzigen Diamanten umgeben und wirkte nicht so protzig wie der Smaragdring, den Caroline auf dem Porträt in der Halle trug. Richard hatte Recht. Diesen Ring mit all seinen tragischen Erinnerungen hätte sie nicht haben wollen. Der Saphirring passte viel besser zu ihr.
„Ich danke dir, Richard."
Sie hielt Richard den Finger hin, und er streifte den Ring darüber. Dann küsste er ihre Hand. „Ich liebe dich, Jessica. Bis du kamst, habe ich nur halb gelebt - wenn überhaupt."
„Und ich liebe
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