Sturm ueber Hatton Manor
sie.
“Glauben Sie ihr nicht”, schrie eines der anderen Mädchen. “
Sie
hat uns hierhergelockt und gesagt, dass es hier was zu holen gibt. Und sie hat uns auch erzählt, dass der alte Mann ganz allein im Haus ist.”
Schweigend betrachtete er Faith. Obwohl alles gegen sie sprach, hätte er ihr zu gern geglaubt, dass sie unschuldig war. Der schuldbewusste Ausdruck in ihren Augen verriet sie allerdings. Nash ignorierte ihr Flehen, als die Polizei sie und ihre Freundinnen abführte, und folgte dann dem Krankenwagen.
Im Krankenhaus erfuhr er, dass sein Patenonkel einen Schlaganfall erlitten hatte – ausgelöst durch den Schock, wie die Ärzte vermuteten. Sie hatten ihm versichert, dass sein Onkel den Schlaganfall überleben würde, ihm jedoch nicht sagen können, ob dieser bleibende Schäden davontragen würde.
Hätte Faith auch nur das geringste Anzeichen von Reue gezeigt oder ihm irgendeine Erklärung gegeben, statt ihn so unverfroren zu belügen, hätte er vielleicht nachgegeben und sich bereit erklärt, sie zu sehen. So hingegen …
“Was passiert jetzt mit ihr?”, fragte er den Polizisten.
“Man wird sie in Untersuchungshaft nehmen, und zwar in einer Jugendstrafanstalt. Das Jugendgericht wird dann entscheiden, ob die Mädchen bestraft werden und die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird oder nicht.”
Nash schloss die Augen, hin- und hergerissen zwischen seinen widerstreitenden Gefühlen. Er hätte bei seinem Patenonkel sein müssen, um ihn zu beschützen. Wenn er da gewesen wäre … Deprimiert wandte er sich zum Gehen. Noch immer konnte er nicht fassen, was Faith getan hatte. Er hätte es auch niemals geglaubt, wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Sein Patenonkel hatte ihr vertraut und sie geliebt … und er selbst …
Ein bitterer Ausdruck trat in seine Augen, als Nash zu seinem Wagen ging.
Sie war fünfzehn. Er hatte sie für naiv und unschuldig gehalten und gemeint, sie vor ihren Gefühlen ihm gegenüber schützen zu müssen, vor seinem eigenen, immer stärker werdenden Verlangen. Wie hatte er nur so dumm sein können? Wahrscheinlich hatte sie es von Anfang an darauf angelegt, ihn zu hintergehen. Körperlich war sie für ihr Alter sehr reif, und sie war mindestens genauso intelligent wie ihre Altersgenossen.
Er hatte ihre Streitgespräche beim Abendessen ausgesprochen anregend gefunden und sich an der Hingabe erfreut, mit der Faith sich allem widmete. Und er hatte sich auf den Tag gefreut, an dem er ihr zeigen konnte, wie sehr er sich danach sehnte, auf ihre ebenso unschuldigen wie verführerischen Signale zu reagieren.
Ich habe Faith nicht nur körperlich begehrt. Ich habe sie
geliebt
, wie Nash sich nun grimmig eingestand. Und mit ihrem Vertrauensbruch hatte sie ihn so tief verletzt, dass sie ihn beinah zerstört hätte.
Philip hatte nach dem Schlaganfall kaum noch sprechen können und sich aufgeregt, wann immer ihn jemand über den Vorfall zu befragen versuchte. “Faith … Faith …”, war alles, was er hervorgebracht hatte.
Um zu vermeiden, dass er einen weiteren und womöglich noch schwereren Schlaganfall erlitt, hatte er, Nash, darauf bestanden, dass man ihn nicht weiter damit quälte.
Von den Behörden hatte er erfahren, dass Faith keine Haftstrafe bekommen hatte, und zwar vor allem deswegen, weil es ihr erstes Vergehen gewesen war und er um Milde gebeten hatte.
Selbst jetzt gestand er sich diese Schwäche nicht gern ein. Doch er hatte die Vorstellung, dass Faith ins Gefängnis kam, nicht ertragen und sich trotz seiner Bitterkeit ihr gegenüber für sie eingesetzt. Philip hätte es auch so gewollt, wie er sich einredete. Sobald es ihm etwas besser ging, weigerte er sich zu akzeptieren, dass Faith irgendeine Schuld traf, und behauptete, die anderen Mädchen hätten sie benutzt und dazu gezwungen …
Nash hätte ihm gern geglaubt, aber er wusste es besser. Schließlich hatte er den schuldbewussten Ausdruck in ihren Augen gesehen und gehört, wie die anderen Mädchen sie mit verächtlichen Bemerkungen und Vorwürfen überhäuften.
Im Grunde hatte es ihn nicht überrascht, als dem ersten Schlaganfall nach kurzer Zeit ein zweiter folgte und Philip bald darauf starb. Noch immer war er der Meinung, dass der erste Schlaganfall zu Philips Tod geführt hatte. Und wozu? Wegen ein paar lumpiger Pfund? Denn entgegen allen Gerüchten war sein Patenonkel
kein
reicher Mann gewesen. Hatton House hatte zwar ihm gehört, doch er hatte fast sein ganzes Kapital durch riskante
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