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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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seinem Rücken. Irgend etwas war gebrochen oder gerissen. Es tat entsetzlich weh. Llauk konnte sich kaum noch bewegen, trotzdem stemmte er sich vorsichtig wieder hoch und starrte in die Finsternis. Schwach zeichnete sich im Türrahmen die Gestalt des Wärters ab, der die Tür schließen wollte. Gleich würde es dunkel sein, entsetzlich dunkel!
    Llauk fürchtete die Dunkelheit. Er haßte sie. Schon als Kind hatten ihn in mondlosen Nächten die Gespenster verfolgt, bis er zitternd eine Öllampe entzündet hatte. Dunkelheit war die schlimmste Strafe für Llauk. Sie machte ihm Angst. Dunkelheit war die Angst seines Lebens.
    "Licht! Licht! Gebt mir eine Fackel!"
    "Holz kostet Geld, Herr."
    "Ich, ich habe Geld!" Fieberhaft kramte Llauk in den Taschen seines Gewandes nach seinem letzten Bronzestück.
    "Hier, hier!" Vor Schmerz und Angst wimmernd, hinkte Llauk auf den Wärter zu. "Ein Bronzestück! Bring mir Fackeln, Herr, bitte!"
    Wortlos nahm der Mann das Geldstück entgegen und schloß dann die Tür.
    "Nein!" Abermals hatte ein Dramile Llauk betrogen. Was war das bloß für ein Volk? Wut stieg in Llauk hoch. Für einen Augenblick stieg etwas von seinem alten Stoffmachertemperament in ihm hoch. "Gib mir mein Geld zurück, dramilischer Narr!", schrie er voller Zorn. "Ich werde dich umbringen! Warte nur, bis ich ..." Plötzlich fiel es Llauk ein, dass es in seiner derzeitigen Situation nicht angebracht schien, seinen Gastgeber zu erzürnen. Schnell verlegte er sich aufs Bitten: "Kommt zurück, Herr! Bringt mir Licht! Ihr habt es versprochen, Herr! Ich habe bezahlt, Herr! Bitte kommt doch!"
    In Llauks Rücken tobte der grausige Schmerz von dem tückischen Schlag des Dramilen. Doch das war nicht das Schlimmste. Schon jetzt, wenige Augenblicke nach dem Schließen der Tür, drang die Dunkelheit auf ihn ein, als würden sich die Wände der Zelle nach innen verschieben.
    Llauk wagte es nicht mehr, sich zu bewegen. Das Atmen fiel ihm schwer. Die Stimme versagte ihm den Dienst. Dunkelheit! Der Schrecken aller Schrecken hatte ihn ereilt. Dunkelheit! Absolute Finsternis! - Der Sturz ins Nichts und in ein Universum voller Schrecken zugleich. Was konnte die Dunkelheit nicht alles verbergen. - Was brachte sie nicht alles hervor ...
    Löcher im Boden, die einen Menschen schon beim ersten Schritt in bodenlose Tiefe stürzen ließen. - Schlangen, die sich in den Ecken des Raumes ringelten und bald auf ihn zu gleiten würden. - Spitze Stäbe, die in der Wand steckten und auf die Augen zielten.
    Verzweifelt keuchend sank Llauk an der Tür des Kerkers in sich zusammen. Diesen Platz würde er nicht mehr verlassen. Was immer in der Dunkelheit lauerte, mochte zu ihm kommen. Suchen gehen würde er es nicht.
    Schützend legte Llauk seine Hände über dem Kopf zusammen und zog die Knie an das Kinn. Die Finsternis hatte ihn an seinen Platz gebannt, umgab ihn wie fester Stein. Seine Augen starrten weit geöffnet in die unendliche Leere und seine Phantasie gaukelte ihm immer neue, immer schrecklichere Gefahren vor, die auf ihn lauerten.
    Llauk hockte gepreßt atmend an der Kerkertür und krümmte sich vor Angst so weit zusammen, wie sein Körper es nur zuließ. Hier starb er seinen ersten Tod, den Tod eines verängstigten Kindes.

    "Nun, Herr, was liegt Ihr hier vor der Tür herum? Ich wähnte Euch bei vergnügterem Tun. Habt Ihr die schöne Cilia noch nicht gefunden?" Der Kerkermeister hatte doch Wort gehalten. Mit einer frischen Fackel stand er in der Tür des Verlieses und wehrte Llauk lachend ab, der ihn immer wieder ansprang wie ein junger Hund, der freudig seinen Herrn begrüßt. Immer wieder versuchte der Stoffmacher den Griff der Fackel zu erhaschen. Immer wieder wurde er zurückgestoßen.
    "Ihr seid nicht sehr galant, Herr." Der Wärter lachte. "Denkt immer nur an Eure Fackel! - Vielleicht mag die arme Cilia überhaupt kein Licht. Bedenkt Herr, dass manche Frauen bei Dunkelheit nur gewinnen."
    Llauks Bewegungen wurden langsamer. Was redete der Mann da? Sollte es wirklich eine Cilia in diesem Kerker geben? Irritiert sah er sich um. - Tatsächlich! In der äußersten Ecke des Raumes sah er im schwachen Schein der Fackel eine Frau in dramilischer Tracht kauern. Unverkennbar die Robe aus grauem, grobem Tuch. Ebenso unverkennbar die enganliegende Kappe mit den langen Bändern.
    Hastig griff Llauk nach der Fackel, die der Kerkermeister ihm plötzlich willig überließ. Mit schnellen Schritten ging Llauk auf die Frau zu. - Da hatte dieses

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