Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
normalerweise, dass sie an ihrem Schreibtisch saß, die langen schlanken Beine lässig übereinandergeschlagen, und sich mit den Fingern durch die langen blonden Locken fuhr, während sie irgendwelche Akten studierte. Und vor allem hieß das, dass ein großer Teil ihrer männlichen Kollegen auffällig oft auffällig banale Dinge mit ihr zu besprechen hatte.
Während Suna sich selbst eher als unscheinbar einordnen würde, konnte man Rebeccas Äußeres ohne Übertreibung als umwerfend bezeichnen.
Umso erstaunlicher war es, dass die beiden Frauen sich immer noch so gut verstanden, auch nachdem Sunas Ehe mit Rebeccas Zwillingsbruder Robert in die Brüche gegangen war. Tatsächlich hatte sie manchmal mit dem Gedanken gespielt, ob es nicht besser gewesen wäre, die Ehe einfach durchzuziehen, nur um Rebecca als Schwägerin zu behalten. Aber das war natürlich Unsinn. Mit einem Kopfschütteln vertrieb sie die absurde Idee.
Sie überlegte kurz, welches Vorgehen sie am besten ans Ziel führen würde und beschloss dann, direkt zum Frontalangriff anzusetzen.
»Ich habe einen neuen Auftrag, und da bräuchte ich ein paar Informationen«, begann sie. »Natürlich habe ich dabei sofort an dich gedacht. Du bist ja auf dem Gebiet absolut unschlagbar.«
Rebecca quittierte die Schmeichelei mit einem gequälten Stöhnen. »Irgendwie habe ich mir schon gedacht, dass du nicht ohne Hintergedanken anrufst. Du weißt, ich helfe dir immer gern, aber alles hat seine Grenzen. Ich kann riesigen Ärger bekommen, wenn ich etwas rausgebe und damit dem Fall schade. Es geht doch hoffentlich nicht um laufende Ermittlungen?«
»Nein, selbstverständlich nicht. Es betrifft einen Fall vom November letzten Jahres. Meine Klientin ist eine Frau namens Fenja Sangaard. Sie hat in Notwehr einen Freund erstochen, Mark Sennemann. Der Fall ist längst abgeschlossen, aber ich soll noch ein bisschen über die Hintergründe herausfinden.«
Rebecca überlegte einen Moment. »Ich kann mich nicht an den Fall erinnern«, meinte sie dann.
»Kein Wunder. Es war nicht euer Zuständigkeitsbereich. Das Ganze fand nicht im Raum Lübeck, sondern auf Sylt statt. Meinst du, du kannst trotzdem etwas darüber in Erfahrung bringen?«, fragte Suna vorsichtig.
»Das dürfte eigentlich kein Problem sein, das regele ich schon«, gab Rebecca lässig zurück.
»Ich habe gehofft, dass du das sagst«, lachte Suna. Ihre ehemalige Schwägerin hatte überall ihre Beziehungen. Für sie sollte es keine Schwierigkeiten bedeuten, an die Akte eines abgeschlossenen Falls heranzukommen, auch nicht, wenn er in einem anderen Zuständigkeitsbereich lag. »Du bist ein Schatz. Ich schulde dir was«, beteuerte sie.
»Wo du gerade davon anfängst. Am übernächsten Wochenende feiern Robert und ich unseren Geburtstag. Du kannst ja mal vorbeischauen.«
»Oh nein, soviel schulde ich dir nun auch wieder nicht«, unterbrach Suna sie in gespieltem Entsetzen. Gleich darauf drang Rebeccas melodisches Lachen durchs Telefon. Suna wusste, dass Rebecca die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatte, dass aus den beiden irgendwann wieder ein Paar werden würde. Aber es brauchte wesentlich mehr als das Besorgen einer Ermittlungsakte, um Suna auf die Geburtstagsfeier ihres Exmanns zu locken.
Nachdem Rebecca ihr versprochen hatte, ihr so schnell wie möglich die Informationen zukommen zu lassen, legte Suna auf und wählte eine Hamburger Festnetznummer. Sie ließ es ein paar Mal läuten und wollte schon wieder auflegen, als sich eine verschlafene Stimme meldete.
»Jaaaa?«
»Kobo, bist du das?«, fragte Suna vorsichtig, obwohl sie sich sicher war, den richtigen Gesprächspartner erwischt zu haben.
Goran Kobosevic war der einzige Mensch, den sie kannte, der sich zu jeder möglichen und unmöglichen Tageszeit im Tiefschlaf befinden konnte. Sie hatte ihn ein paar Jahre zuvor kennengelernt, als sie noch für eine große Hamburger Detektei gearbeitet hatte, und sie kannte niemanden, der im Umgang mit dem Computer so viel Geschick hatte. Er beschaffte Informationen, an die sie selbst trotz ihrer guten Beziehungen niemals herankommen würde. Allerdings hielt er sich dabei nicht immer sklavisch an die Gesetze, was ihm trotz seiner noch nicht einmal fünfundzwanzig Jahre schon einigen Ärger eingebracht hatte. Damals hatte Sunas rechtzeitige Warnung dafür gesorgt, dass er mit einem blauen Auge davongekommen war, als die Detektei gegen einen Ring krimineller Hacker ermittelt hatte. Seitdem arbeitete Kobo gelegentlich für
Weitere Kostenlose Bücher