Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
Schwester, sagte Nachtblut. Sie ist es, die du suchst. Du willst Vivennas Schwester retten!
Vascher nickte und tastete sich auf einer Treppe nach oben. Er zählte darauf, dass ihm sein Biochroma verriet, wenn er auf Menschen traf. Obwohl der größte Teil seines Hauchs in seiner Kleidung steckte, besaß er noch genug, um das Seil zu erwecken und ihn selbst höchst wachsam zu machen.
Du magst Vivenna auch!, sagte Nachtblut.
Unsinn, dachte Vascher.
Warum sonst bist du hier?
Wegen ihrer Schwester, dachte er. Irgendwie ist sie der Schlüssel zu dem Ganzen. Das habe ich heute erkannt. Mit dem Eintreffen der Königin in diesem Land haben die wahren Kriegsvorbereitungen begonnen.
Nachtblut schwieg. Dieser logische Sprung war zu viel für es. Ich verstehe, sagte es schließlich. Vascher lächelte über die Verwirrung, die er in der Stimme spürte.
Zumindest ist sie eine sehr praktische Geisel für die Hallandrener, dachte Vascher. Die Priester des Gottkönigs – oder wer sonst hinter dem Ganzen stecken mag – können das Leben des Mädchens bedrohen, falls der Krieg schlecht laufen sollte. Sie ist ein ausgezeichnetes Druckmittel.
Eines, das du ihnen wegnehmen willst, sagte Nachtblut.
Vascher nickte. Nun hatte er das obere Ende der Treppe erreicht und schlich durch einen der Korridore. Er ging, bis er jemanden in der Nähe spürte– eine Dienerin kam heran.
Vascher erweckte sein Seil, trat in den Schatten eines Alkovens und wartete. Als das Mädchen an ihm vorbeiging, schoss das Seil aus dem Schatten hervor, wickelte sich um ihre Hüfte und riss sie in die Finsternis. Vascher legte ihr die Hand vor den Mund, bevor sie schreien konnte; die Bänder an seinem Ärmel halfen ihm dabei.
Sie wand sich, aber das Seil hielt sie fest. Er verspürte ein leichtes Schuldgefühl, als er über ihr aufragte und sie ihn mit angsterfüllten Augen ansah. Er griff nach Nachtblut und zog das Schwert ein Stück aus der Scheide. Sofort wirkte das Mädchen elend und krank. Ein gutes Zeichen.
» Ich muss wissen, wo die Königin ist«, sagte Vascher und hob Nachtblut, bis dessen Griff ihre Wange berührte. » Und du wirst es mir sagen.«
So hielt er sie eine Weile fest, sah ihr zu, wie sie sich wand, und war unzufrieden mit sich selbst. Schließlich entfernte er die Bänder, drückte ihr den Schwertgriff aber weiterhin gegen die Wange. Sie musste sich übergeben, und er drehte sie zur Seite.
» Sag es mir«, flüsterte er.
» In der Südecke«, flüsterte das Mädchen zurück. Es zitterte, und Speichel klebte auf ihrer Wange. » In diesem Stockwerk.«
Vascher nickte, fesselte sie mit dem Seil, knebelte sie und zog seinen Hauch heraus. Er schob Nachtblut wieder in die Scheide und eilte dann den Gang entlang.
Einen Gott, der seine Armeen in den Krieg zu schicken plant, willst du nicht umbringen, aber eine junge Frau würgst du, bis sie fast stirbt?, bemerkte Nachtblut.
Das war eine komplizierte Bemerkung für ein Schwert. Doch es schwang nicht die Anklage mit, die ein Mensch in diese Worte gelegt hätte. Für Nachtblut war es lediglich eine Frage.
Ich verstehe meine Moral auch nicht mehr, dachte Vascher. Ich schlage vor, du vermeidest es ab jetzt, dich selbst zu verwirren.
Er fand den Ort schnell. Er wurde von einer großen Gruppe brutal wirkender Männer bewacht, die in diesen feinen Palastkorridoren fehl am Platze wirkten.
Vascher hielt inne. Hier geht etwas Seltsames vor.
Was willst du damit sagen?, fragte Nachtblut.
Er hatte nicht mit dem Schwert reden wollen, doch so war das nun einmal mit einem Gegenstand, der Gedanken lesen konnte. Nachtblut glaubte, dass jeder Gedanke, der sich in Vaschers Kopf formte, an es gerichtet war. Schließlich sollte nach der Meinung des Schwertes alles auf es ausgerichtet sein.
Wachen vor der Tür. Keine Diener, sondern Soldaten. Also hatten sie Siri schon gefangen genommen. War sie überhaupt schwanger? Oder sicherten die Priester auf diese Weise nur ihre Macht?
Es war ihm unmöglich, so viele Männer zu töten, ohne großen Lärm zu machen. Er konnte nur hoffen, dass er sie schnell besiegte. Vielleicht waren sie weit genug von allen anderen entfernt, dass ein kurzer Kampf von niemandem gehört wurde.
Er biss die Zähne zusammen und wartete einige Minuten. Schließlich trat er auf die Männer zu und warf Nachtblut in ihre Mitte. Er ließ sie zunächst gegeneinander kämpfen und würde sich danach um jene Männer kümmern, die dem Einfluss des Schwertes nicht erlegen waren.
Nachtblut
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