Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
Du weißt doch gar nicht, was das ist.«
Diesmal schwieg Nachtblut.
Das war der beachtliche Haken an der ganzen Sache, der den größten Teil von Vaschers Leben beherrscht hatte. Tausend Hauche. So viel bedurfte es, um einen Gegenstand aus Stahl zu erwecken und ihm Bewusstsein zu verleihen. Sogar Schaschara hatte den Prozess nicht vollkommen verstanden, obwohl sie ihn entwickelt hatte.
Zur Erweckung von Stein oder Stahl bedurfte es einer Person, welche die Neunte Erhebung erreicht hatte. Doch selbst dann hätte es eigentlich nicht funktionieren dürfen. Es hätte einen erwecken Gegenstand erschaffen sollen, der nicht mehr Verstand als die Bänder an seinem Mantel besaß.
Nachtblut sollte eigentlich gar nicht leben. Aber es lebte. Schaschara war die Begabteste von ihnen allen gewesen, viel fähiger als Vascher, der gewisse Kniffe wie das Einschließen von Knochen in Stahl oder Stein für seine Schöpfungen benutzt hatte. Schaschara war durch das Wissen, das sie von Yesteel erhalten hatte, sowie durch die Entwicklung der alkoholischen Flüssigkeit zu ihren Experimenten angespornt worden. Und sie hatte es geschafft. Sie hatte gelernt, den Hauch von tausend Menschen in ein Stück Stahl zu zwingen, es zu erwecken und ihm ein Kommando zu geben. Dieses einfache Kommando war ungeheuer mächtig geworden und hatte die Basis für die Persönlichkeit des erweckten Gegenstandes gebildet.
Bei Nachtblut hatten sie und Vascher lange nachgedacht und schließlich das einfache, aber elegante Kommando » Zerstöre Böses« gewählt. Es war für sie die perfekte und logische Wahl gewesen. Doch es hatte sich ein Problem ergeben, das sie beide nicht vorhergesehen hatten.
Wie konnte ein Gegenstand aus Stahl– ein Objekt, so weit von allem Lebendigen entfernt, dass die Erfahrung des Lebens seltsam und fremdartig für es sein musste– verstehen, was » böse« war?
Ich finde es allmählich heraus, sagte Nachtblut. Ich habe schließlich schon große Erfahrung.
Dem Schwert war kein Vorwurf zu machen. Es war ein schreckliches und zerstörerisches Ding, aber schließlich war es geschaffen worden, um zu zerstören. Es begriff noch immer nicht, was » Leben« bedeutete. Es kannte nur seinen Befehl und versuchte angestrengt, ihn zu erfüllen.
Dieser Mann da unten, sagte Nachtblut. Dieser Gott in seinem Palast hält die Macht in den Händen, diesen Krieg zu beginnen. Du willst nicht, dass der Krieg beginnt. Deshalb ist der Mann böse.
» Warum macht ihn das böse?«
Weil er etwas tun wird, was du nicht willst.
» Das wissen wir nicht mit Gewissheit«, sagte Vascher. » Wer sagt außerdem, dass meine Meinung die richtige ist?«
Sie ist es, antwortete Nachtblut. Komm, wir gehen und töten ihn. Du hast mir gesagt, dass Krieg schlecht ist. Er will einen Krieg beginnen. Also ist er böse. Wir bringen ihn um. Wir bringen ihn um.
Das Schwert wurde immer erregter; Vascher konnte es spüren. Er fühlte die Gefahr in der Klinge und den ganzen verdrehten Hauch, der von lebendigen Menschen stammte und in etwas Unnatürliches hineingepresst worden war. Er konnte sich vorstellen, wie dieser schwarze und verdorbene Hauch austrat und sich im Wind drehte. Wie er Vascher auf Lichtsang hintrieb, damit er den Gott tötete.
» Nein«, sagte Vascher.
Nachtblut seufzte. Du hast mich in einen Schrank gesperrt, rief die Waffe ihm in Erinnerung. Du solltest dich dafür entschuldigen.
» Ich werde mich nicht dadurch entschuldigen, dass ich jemanden umbringe.«
Wirf mich nur dort hinein, schlug Nachtblut vor. Wenn er böse ist, wird er sich selbst töten.
Das brachte Vascher ins Grübeln. Heilige Farben, dachte er. Das Schwert schien mit der Zeit immer raffinierter zu werden, auch wenn Vascher wusste, dass er sich das nur einbildete und seine eigenen Gedanken auf die Waffe übertrug. Erweckte Gegenstände veränderten sich nicht und wuchsen nicht, sie blieben stets gleich.
Dennoch war es ein guter Vorschlag.
» Später vielleicht«, sagte Vascher und wandte sich von dem Gebäude ab.
Du hast Angst, sagte Nachtblut.
» Du weißt gar nicht, was Angst ist«, erwiderte Vascher.
Doch. Du magst es nicht, Zurückgekehrte zu töten. Du hast Angst vor ihnen.
Natürlich hatte das Schwert Unrecht. Aber Vascher vermutete, dass sein Zögern von außen wie Angst wirkte. Es war lange her, seit er sich zum letzten Mal mit den Zurückgekehrten abgegeben hatte. Zu viele Erinnerungen. Zu viele Schmerzen.
Er begab sich zum Palast des Gottkönigs. Es war ein altes
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