Sturmtosen - Peeler, N: Sturmtosen - Tempest's Legacy (Jane True) Book 3
sie sah hoch und sofort wieder zu Boden.
»Damals machte ich mir so viele Gedanken, weil Ryu mir all diese Sachen kaufte, aber es fühlte sich total seltsam für mich an, weil wir uns noch kaum kannten. Ich wusste, dass alles ziemlich teuer war, aber jetzt kommt das Witzigste: Ich dachte damals, solche Schuhe würden ungefähr hundert Dollar kosten.«
Ich zwang mich zu lachen, als würden wir uns gemütlich im Stall gegenübersitzen und wären nicht hier in dieser Hölle. »Hundert Dollar! Für Louboutins! Stell dir vor! Und selbst bei dem Preis fühlte ich mich schuldig …«
»Jane?«, flüsterte Iris. Mein Herz machte einen Sprung, und ich vergaß zu atmen.
»Ja, Iris. Ich bin es wirklich.«
Dann fing sie an zu weinen. Herzzerreißendes Schluchzen brach aus ihrem malträtierten Körper, und ich reagierte wie eine panische Glucke. Ich sprang auf und schlug flatternd mit den Armen.
»Oh, Iris, nicht weinen! Es ist okay! Ich bin ja da!«
»Ich will aber nicht, dass du hier bist«, sagte sie schluchzend. »Sie werden dir wehtun … die Dinge, die sie mit einem machen …« Ihre Stimme war nicht mehr honigsüß wie sonst, sondern leer und wund.
»Sch, Iris. Sch… Wir kommen hier raus. Vertrau mir … Sch…«
Aber ganz offensichtlich vertraute sie mir nicht, denn sie schluchzte, bis sie sich völlig ausgeweint hatte. Dann trank sie einen Schluck aus dem Wasserhahn, wohl um aufzutanken, und weinte weiter. Die ganze Zeit über sagte ich ihr, wie gern ich sie hatte und dass alles wieder gut würde. Aber irgendwann hatte ich genug. Unter normalen Umständen und wenn es das gewesen wäre, was sie gerade brauchte, hätte ich sie weinen lassen, bis sie ausgetrocknet gewesen wäre wie eine schrumpelige Rosine, aber wir hatten jetzt Wichtigeres zu tun.
»Iris? Iris? Du musst aufhören zu weinen … Du musst mit mir reden. Iris? Du musst wirklich mit mir reden.« Nachdem ich das ungefähr vierhundertmal wiederholt hatte, blickte sie schließlich auf.
»Iris, du musst mir alles von diesem Ort hier erzählen. Sag mir, was hier vor sich geht und wann, und was du über den Aufbau des Gebäudes weißt …«
Zuerst zögerte sie noch, voller Angst, zu viel zu sagen. Ich denke, sie rechnete noch immer halb damit, dass ich plötzlich die Gestalt eines der Aufseher annehmen würde oder die des Heilers, und dass sie feststellen müsste, dass man sie hinters Licht geführt hatte. Oder dass ich einfach wieder ganz verschwinden würde, bloß eine Illusion war. Aber als sie dann zu reden begann und ich ihr kommentarlos zuhörte, wurde sie immer mutiger, bis die Worte nur so aus ihr herausströmten.
Eigentlich sollte es mich nicht wundern, wie viel sie wusste, denn Iris war von Natur aus eine unübertreffliche Klatschtante und saugte alles um sich herum auf wie ein Schwamm. Sie hatte zwar nicht immer ganz den Blick fürs Wesentliche, aber ihr entging wirklich nichts. Und sie erzählte mir auch alles: die Geschichte des Anwesens selbst, wie sie sie durch das Gerede der Aufseher aufgeschnappt hatte, die Sicherheitsmängel, dass sie, was das Wachpersonal betraf, gerade etwas dünn besetzt waren …
Offenbar hatte das Anwesen, in dem wir uns befanden, über die Jahre ungefähr tausend verschiedene Zwecke erfüllt. Zuletzt, aber nur sehr kurz, war es ein Luxushotel gewesen, das dann pleiteging. All die verschiedenen Inkarnationen des Gebäudes machten es in gewisser Weise zu einer idealen Folterkammer: oben jede Menge einzelner Räume, die als Quartiere für die Wachen und Ärzte, aber auch als Zellen für Gefangene dienen konnten, große Salons im Erdgeschoss, die sich gut für Labors eigneten und so weiter. Aber es bedeutete auch, dass es viele unübersichtlich angeordnete Anbauten gab, die die heutigen Brandschutzbestimmungen erfüllen mussten. Also war das Anwesen architektonisch ein ziemliches Durcheinander: jede Menge Treppenhäuser, labyrinthische Räume und unzählige Ausgänge. All das hatte zur Folge, dass es von vornherein schon große Schwierigkeiten bereitete, es richtig zu bewachen, aber mit einem Mangel an Wachleuten war es besonders kompliziert. Niemand hier wusste so genau, warum das Sicherheitspersonal so knapp war, weil sie keinerlei Kenntnis darüber hatten, wie viele Labors Jarl und seine Schergen draußen gerade auflösten. Aber ich wusste verdammt gut, dass das erklärte, warum die Kräfte hier so ausgedünnt waren.
Ich hörte Iris zu, die mir alles erzählte, was sie wusste, gesehen oder gehört hatte. Das
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