Sturmtosen - Peeler, N: Sturmtosen - Tempest's Legacy (Jane True) Book 3
spritzte er auch diese Dosis harmlos hinter mich.
»Benutz auf keinen Fall deine Magie«, wiederholte er in gedämpftem Ton. »Oder das Spiel ist aus.«
Ich nickte, noch immer verunsichert, ob ich diesem Kerl trauen konnte. Auf der einen Seite konnte ich verstehen, dass man selbst als einer der Aufseher aus diesem Gefängnis wegwollte. Auf der anderen Seite war Sadismus für diese Leute hier ganz offensichtlich ein Hobby, also konnte er mich glauben lassen, ich hätte einen Verbündeten, nur um meine Träume von Freiheit dann platzen zu lassen, bloß das Beispiel von Seite hundertachtundneunzig aus ihrem Handbuch Foltern für Dummies sein.
Aber warum sollte er riskieren, mir meine Kräfte zu lassen? , dachte ich. Dann zog ich die Stirn in Falten.
Eigentlich weißt du ja überhaupt nicht, ob du deine Kräfte wieder hast, denn wenn du sie einsetzt, bist du verloren. Also kannst du nur annehmen, dass sie da sind … und zwar weil der feindliche Arzt, der dir aus keinem ersichtlichen Grund hilft, sagt, dass es so ist.
Ich starrte den vor mir knienden Doktor an und versuchte dahinterzukommen, warum er mir half, aber in diesen gelben Augen konnte ich rein gar nichts lesen. Als er sich erhob, um zu gehen, legte ich mich wieder auf meine Pritsche. Ich hatte vor, den Tag in dem hypnotischen Dämmerzustand zu verbringen, in dem ich es vor Jahren, als ich zwangseingewiesen worden war, zur Meisterschaft gebracht hatte.
Doch kurze Zeit später – es war vielleicht eine Stunde vergangen – hörte ich, wie die Haupttür wieder geöffnet wurde. Ich ging davon aus, ich sei bereit für alles, mit dem sie mich konfrontieren würden, aber auf das, was dort durch die Tür kam, war ich ganz und gar nicht vorbereitet.
»Iris!«, rief ich in einer Mischung aus Freude und Entsetzen: Freude, meine Freundin lebend wiederzusehen, Entsetzen über den Zustand, in dem sie war.
Ihr einst so traumhaft schönes, blondes Haar war strähnig und stumpf, ihr Körper völlig ausgemergelt und nur mit einem zu kurzen, dreckigen T-Shirt bekleidet. Aber es war ihr gequälter Blick, der mich beinahe vernichtete.
»Iris, Iris, Iris!«, rief ich immer wieder. Ich wollte unbedingt, dass sie mich ansah, wollte unbedingt sehen, dass sich noch etwas von meiner Freundin hinter dieser leeren, zerstörten Maske befand. Aber sie blickte kein einziges Mal auf, als sie in die Zelle mir gegenüber geschoben wurde.
Der Aufseher, der sie führte – ein kleiner, drahtiger Satyr –, schubste sie unsanft in die Zelle, und nachdem er die Tür hinter ihr geschlossen hatte, blieb er noch kurz stehen und schüttelte den Kopf.
»Es hat so viel Spaß mit ihr gemacht, als sie hergebracht wurde. Aber dann lassen sie sich leider immer gehen«, erklärte er mir beiläufig. Genau wie der Heiler hatte auch er einen britischen Akzent. Seiner war jedoch sehr vornehm. Das Benehmen des Satyrs war allerdings alles andere als vornehm, als er seinen Blick über meinen Körper wandern ließ. »Sie kommen hier immer ganz bezaubernd an, aber nachdem wir uns mit ihnen vergnügt haben, enden sie wie zerfledderte Puppen bei einem Kofferraumverkauf.«
Was zum Teufel ist ein Kofferraumverkauf? Ich stopfe ihn gleich in einen Kofferraum! , dachte ich und starrte ihn wutentbrannt an. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, seine Schilde richtig zu aktivieren. Ich könnte ihn mit einer Magiekugel kalt erwischen, gleich jetzt, und es gäbe ein Monster weniger, das im Dunkeln lauert …
Und damit wären deine Chancen, Iris hier rauszuholen, beim Teufel, und zwar komplett. Also halt dich bloß zurück.
Mein Gesichtsausdruck war voller Hass, aber es gelang mir, sowohl meine Wut als auch meine Magie zu kontrollieren. Der Satyr betrachtete mich aufmerksam, und erst dann begriff ich, dass er mich gerade auf die Probe stellte.
Das hier ist ein Test. Und ich habe ihn bestanden. Sie wollten sichergehen, dass der Kobold seinen Job erledigt hat, und mit Iris’ Anblick wollten sie mich provozieren, kein Zweifel. Aber jetzt denken sie, dass sie mich neutralisiert haben.
Zum ersten Mal, seit der Kobold die Dosis an meinem Hals vorbeigespritzt hatte, fing ich an zu glauben, dass er es ehrlich mit mir meinte; dass wir hier herauskommen würden.
Der Satyr betrachtete mich noch immer still, wartete darauf, etwas von mir zu spüren, aber ich hielt meine Kräfte verschlossen. Da ich so lange wie ein normaler Mensch gelebt hatte, fiel es mir relativ leicht, in den nicht-magischen Modus zurückzuschalten. Ein
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