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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Schiffsärztin Tabard, und sehen Sie zu, dass sie alles bekommt, was sie benötigt. Solange Leutnant Hugham nicht einsatzfähig ist, werden Sie die Bürde ihres Ranges übernehmen, während Fähnrich Levman die Pflichten des Ersten Offiziers übernimmt.«
    Der junge Mann strahlte über das ganze Gesicht. Roxane wusste, dass seine Freude nicht von allzu langer Dauer sein würde. Bald schon würden sie die Toten auf dem Deck aufbahren und in Segeltuch einnähen. Er würde seine Freunde sehen, kalt und blass, bevor sie auf immer in den Tiefen der See verschwanden. Noch hatte er den Verlust, den sie alle erlitten hatten, nicht wirklich wahrgenommen, war erfüllt vom Feuer der Schlacht, wie es Roxane selbst nach dem Gefecht von Tarnt gewesen war. Bevor sie die langen Reihen der Toten gesehen hatte. Die Listen, die ausgehängt wurden, mit den durchgestrichenen Namen. In den Zeitungen der Heimat wurden sie abgedruckt, lange Listen, und all die Toten wurden als stolze Söhne und Töchter der Nation bezeichnet.
    Roxane wusste es besser. Kein Tod war stolz, weder im Sieg noch in der Niederlage. Cearl ist tot; in Ausübung seiner Pflicht gestorben, so wird man schreiben. Ein Name mehr auf einer Liste. Ein gesiegelter Brief an die Familie. Kein Innehalten; weiter geht der Krieg.
    Sie selbst fürchtete sich vor dem Anblick der Toten. Als sie an Bord des Schiffes gekommen war, hatte sie die Verantwortung für die Mannschaft übernommen. Jeder Segeltuchsack war einer zu viel. Sie war nun Kapitän, zumindest so lange, bis sie irgendwo auf Teile der Flotte stießen und man sie ablöste. Sie würde den Bericht schreiben müssen. Fein säuberlich jeden Namen aus der Mannschaftsliste kopieren, Verwundungen und Todesfälle angeben, gute Worte auch über jene verlieren, die sie vielleicht nicht einmal gekannt hatte. Oder über die ich nicht viel Gutes zu berichten weiß. Wie Matrose Hoare. Jetzt konnte sie nicht trauern, aber sie ahnte, dass die Zeit dafür nicht mehr fern war.
    In diesem Moment kletterte Leutnant Cudden über die Deckkante. Er war von Kopf bis Fuß durchnässt, seine Uniformjacke war verschwunden, ebenso seine Stiefel, doch ansonsten schien ihm nichts weiter zu fehlen.
    »Thay«, begrüßte er sie und strich sein blondes Haar zurück.
    »Berichten Sie mir, Leutnant«, bat sie.
    »Es gibt nicht viel zu erzählen. Ich war im zweiten Boot. Eine Kugel hat uns erwischt, und ich bin ins Wasser gesprungen. Zum Glück kann ich schwimmen. Musste nur den Rock loswerden. Jetzt darf ich einen neuen kaufen – das wird verflucht teuer.«
    »Und Kapitän Frewelling?« Aus einem Grund, den sie selbst nicht ganz verstand, war es ihr plötzlich wichtig, Cearl nun die Ehre zu geben, mit der er so hart gerungen hatte.
    »Der war im ersten Boot. Ich hab noch gesehen, wie er die Korvette gestürmt hat. Aber bevor ich irgendwohin schwimmen konnte … Kawumm!«
    Er begleitete seine Worte mit einer ausladenden Geste, als wolle er die Explosion nachspielen.
    »Ja«, erwiderte Roxane tonlos.
    »Er ist losgerannt wie ein Berserker. Als Erster über die Schanz. Würde mich nicht wundern, wenn er was mit der Explosion des Magazins zu tun gehabt hätte.«
    Mich auch nicht, stimmte ihm Roxane stumm zu, die an Cearls letzte Worte denken musste. Ich hoffe, er hat wenigstens seinen Frieden gefunden. Einheit, steh ihm bei.
    »Ich werde mir was Trockenes anziehen, wenn Sie erlauben, Leutnant.«
    »Was? Oh, natürlich, Leutnant Cudden. Ich werde Ihren Einsatz in meinem Bericht natürlich erwähnen.«
    »In Ihrem Bericht?«
    »Leutnant Hugham wurde verwundet. Sehr schwer«, beantwortete Roxane die unausgesprochene Frage. »Zurzeit habe ich das Kommando.«
    »Dann alles Gute, Kapitän«, entgegnete Cudden und salutierte. Roxane nahm ebenfalls Haltung an und erwiderte den Salut. Dann schritt sie zurück zum Achterdeck, um die Reparaturarbeiten zu beaufsichtigen. Ich bin so müde. Aber ausruhen werde ich mich noch lange nicht können. Weder ich noch ein anderer an Bord.
    Auf ihrem Weg kam ihr Groferton entgegen, dessen unnatürliche Blässe seiner üblichen, ungesunden Gesichtsfarbe gewichen war. Er deutete aufgeregt zum Ufer. »Sehen Sie, Leutnant.«
    Ihre Blicke folgten seinem Fingerzeig, und sie sah eine Art Windhose auf der Insel, die Staub und Sand mehrere Dutzend Meter hoch in die Luft wirbelte. Weiter unten am Strand ließ sich eine kleine Menschenmenge erkennen. Dort hatten sich vermutlich die Sklaven der Handelscompagnie versammelt. Drei Boote setzten

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