Sturmwelten 01
federte er die Bewegungen des Schiffs mit den Beinen ab und richtete sich auf. Gut, dass mich zumindest die Seekrankheit verschont.
»Bravo! Das geht ja besser, als ich gedacht hätte. Dann wird es nicht mehr lange dauern, bis du wieder einsatzbereit bist«, erklärte Rahel und zog eine Augenbraue hoch. »Es gibt an Bord viel zu tun.«
Jaquento blickte an sich herunter. Die vergangenen Tage, die er im Schlaf verbracht hatte, waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Seine Rippen zeichneten sich unter der Haut ab, und er spürte ein flaues Gefühl im Magen.
»Das glaube ich gern«, entgegnete er, »aber zuerst hätte ich gerne etwas zu essen. Und vielleicht auch etwas für die Echse. Was frisst sie eigentlich?«
»Wir haben ihr alles Mögliche angeboten – Obst, Brot und Fleisch, und sie hat auch alles davon gefressen. Sie ist ganz schön gierig.«
»Das bin ich auch.«
»Ich werde euch etwas holen. Leider haben wir nichts Warmes da; es ist zu gefährlich, die Öfen bei dem Wetter zu befeuern.«
Bevor sie jedoch ihren Worten Taten folgen lassen konnte, klopfte es an die Tür. Als Rahel sie öffnete, betrat Deguay die Kammer und breitete die Arme aus. »Jaquento! Welche Freude, Euch wieder gesund und munter zu sehen.«
Die Echse hob den Kopf und fixierte den Kapitän, aber bevor sie zischen konnte, legte Jaquento ihr die Hand auf den Hals, bis sie sich wieder an ihn schmiegte. Er machte einen Schritt auf den Kapitän zu, da erfasste ihn ein Schwindel, der ihn mehr taumeln als gehen ließ. Deguay streckte die Hand aus und umklammerte Jaquentos Ellbogen, um ihn zu stützen.
Entschuldigend hob der Hiscadi die Hand. »Ich bin noch ein wenig unsicher auf den Beinen, Kapitän«, murmelte er, zornig auf sich selbst und die Schwäche seines Körpers, aber Deguay machte eine abwehrende Geste.
»Wohl kaum! Ihr steht hier bei schwerem Seegang wie an den Boden genagelt!«
»Ich hole etwas zu essen«, befand Rahel und verließ die Kammer.
»Euer Kampf mit Quibon war sehr beeindruckend. Seit ich Eure Klinge in der Hand gehalten hatte, hoffte ich, sie irgendwann in einem Kampf zu sehen.«
»Habt Ihr deshalb nichts getan, um diesen Streit zu schlichten, Mesér?«, fragte Jaquento kühl. Aber der Kapitän schüttelte nur mit einem schwer deutbaren Lächeln den Kopf.
»Ihr seid noch zu neu auf meinem Schiff, Jaquento. Ihr versteht noch nicht, dass jeder sich beweisen muss, der in unsere kleine, verschworene Gemeinschaft aufgenommen werden will. Wie kann man jemandem trauen, den man niemals hat kämpfen sehen? Der nicht bereit ist, sein Wort mit der Waffe zu verteidigen?«
»Leicht hätte einer von uns diesen Beweis mit seinem Tod erbringen müssen; ein hoher Preis für Vertrauen, oder nicht?«
»Im Gegenteil. Ohne Vertrauen ist das Leben es ohnehin nicht wert, gelebt zu werden. Unser Leben ist hart, Freund Jaquento, der Tod lauert jederzeit hinter dem Horizont. Vertrauen ist alles, was wir haben.«
»Nun, ich vertraue meiner Klinge.«
»Und das ist gut!«, erwiderte Deguay mit einer kleinen Verbeugung. »Außerdem vertraut Ihr Rahel, vielleicht Bihrâd und sicherlich dem guten Pertiz. Mit der Zeit werdet Ihr Euer Vertrauen auch mir schenken. Und jetzt wissen alle an Bord, dass Ihr mit Eurer Waffe umzugehen wisst und dass Ihr keine Furcht kennt. Vielleicht vertrauen sie Euch noch nicht, aber sie respektieren Euch. Und aus Respekt erwächst Vertrauen.«
In den Augen des Kapitäns funkelte Belustigung, auch wenn seine Worte mit einer Leidenschaft vorgetragen wurden, die es Jaquento schwer machte, sich ihnen zu entziehen.
»Ich hoffe, dass der nächste Schritt in dieser kleinen, verschworenen Gemeinschaft weniger schmerzhaft sein wird«, stellte er fest und seufzte. »Quibon ist ein gefährlicher Mann.«
»Oh ja, das ist er. Aber er ist auch ein großartiger Offizier, wenn auch manchmal zu hitzköpfig. Keine Sorge, sein Groll verfliegt so schnell, wie er ihn überkommt. Er ist ein echter Seeteufel. In ein paar Monaten werdet Ihr mit ihm bei einem Becher Rum über diese Geschichte lachen.«
Obwohl Jaquento nickte, musste er an den Blick in Quibons Augen denken, als er diesem die Spitze des Degens auf den Hals gesetzt hatte. Er wird diesen Moment niemals vergessen. Kein Mann vergisst seine erste Niederlage.
Just in diesem Augenblick kehrte Rahel mit einer Schüssel mit Zwieback und Obst und einem Becher Wein wieder. Der Kapitän verneigte sich ein zweites Mal: »Ich überlasse Euch nun Eurer Stärkung. Rahel, wir
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