Sturmwelten 01
ein jeder merken kann und die noch dazu von jedem neureichen Tölpel gebrochen werden? Nahezu unbeschränktes Geplauder über dies und jenes?
Ihr solltet einmal in meiner Heimat bei Hofe sein, Meséra, danach würde Euch ein solcher Empfang hier wie eine leicht umschiffbare Klippe erscheinen.«
Lächelnd sah sie ihn an. »So, so. Ich nehme an, Sie haben Erfahrungen mit königlichen Festivitäten?«
Er antwortete nicht, und seine Miene wirkte plötzlich verschlossen.
Schweigend gingen sie ein Stück weiter in den Garten. Galant hielt Jaquento ihre Hand, als sie einige Stufen hinabstiegen, um in einen tiefer gelegenen Teil der Anlagen zu gelangen. Roxane musste kichern. Vielleicht sollte ich noch meine Hose raffen, als ob sie ein Ballkleid wäre, schoss es ihr durch den Kopf.
Hier wurden die Musik und die Gespräche des Festes von den Geräuschen der tropischen Nacht und dem Rauschen des Meeres überdeckt. Über ihnen ertönte ein lauter, schriller Vogelruf, und Roxane hob überrascht den Kopf.
»Seid Ihr zum ersten Mal in der Sturmwelt?«, fragte Jaquento leise. Während sie sich auf eine hölzerne Bank setzte, nickte sie: »Ja. Meine erste Fahrt in diesen Gewässern. Und Sie?«
»Ebenfalls, Meséra. Die Winde haben mich hierhin getrieben, und ich bin geneigt, hierzubleiben.«
»Haben Sie denn keine Verpflichtungen in Hiscadi, dass Sie so einfach Ihren Launen folgen können?«
Er hob die Augenbrauen spöttisch in die Höhe: »So etwas wie einen Uniformrock und einen Offizier, vor dem ich den ganzen Tag katzbuckeln müsste? Nein, wohl nicht.«
Roxane fühlte sich durch seine Erwiderung verärgert. »So etwas würde ein Thaynric und Ehrenmann niemals denken«, erklärte sie würdevoll.
»Dann ist es wohl gut, dass ich keines von beidem bin«, entgegnete er trocken, und seltsamerweise verzieh sie ihm sofort. »Kein Ehrenmann? Und das, obwohl Sie schutzlose Damen unter Gefahr für Leib und Leben durch gefährliche Parks geleiten?«
Auch er lächelte wieder. »Spottet nur, Meséra. Leider ist ja gerade kein gefährliches Biest da, das ich für Euch erschlagen könnte. Aber es gibt in der Sturmwelt genug davon, das könnt Ihr mir glauben.«
»Es ist eine faszinierende Gegend«, stimmte sie ihm zu. Der Wein ließ ihren Geist angenehm leicht werden, und ein sanfter Wind strich kühlend über ihre Haut. Am Firmament standen unzählige Sterne, und vor ihrem inneren Auge formten sie all die berühmten Figuren, die man in ihnen erkennen konnte.
»Und ein faszinierender Abend«, riss er sie aus den Gedanken. Sein Gesicht lag im Schatten der Palmen, nur seine Augen waren zu sehen, dunkel und auf eine beunruhigende Art geheimnisvoll.
»Ist das so?«, fragte sie mit rauer Stimme, die sie selbst erstaunte. Als er sich ein wenig vorlehnte, zogen sich die Schatten aus seinem Gesicht zurück, umspielten nur noch seine markanten Wangen und seine Brauen. Er blickte ihr direkt in die Augen, und es war, als würde er sie verhexen. Von einem Moment auf den anderen stieg Verlangen in ihr auf, der Wunsch, ihn zu berühren, seine Haut zu streicheln. Aus dem Spiel ihrer Worte war Ernst geworden, aus einem harmlosen Geplänkel ein Augenblick von überwältigender Macht. Sie wusste, dass ihr Verhalten in keiner Hinsicht richtig war, aber zur Hölle mit den Ratschlägen ihres Vaters, dem Kodex der Marine und dem verfluchten Kapitän Harfell – es war sehr lange her, dass sie geküsst worden war.
»Ja«, hauchte er, dann spürte sie seine Lippen auf den ihren, warm und unwiderstehlich. Der Moment war kostbar, sein leichter Atem auf ihrer Haut, ihr Kuss, von dem sie nicht sagen konnte, wer ihn begonnen hatte. Von einer plötzlichen Verzweiflung erfasst, presste sie ihre Lippen auf die seinen. Sie spürte den Augenblick vergehen und wollte ihn nicht verstreichen lassen. Die Konsequenzen waren ihr egal, und ihre Hände wanderten über seine Schultern, seinen Hals, strichen über sein Haar. Als sie seine Berührung an ihrer Seite spürte, den festen Griff, stöhnte sie leise. Mit zittrigen Fingern begann sie, ihren Uniformrock aufzuknöpfen. Seine Hand glitt über ihr Bein und sandte Flammenstöße ihren Rücken hinauf. Alle Zweifel waren nun aus ihrem Geist verbannt, sie dachte nichts und wollte nichts, außer ihn zu spüren.
»Leutnant?«, rief jemand ein Stück entfernt und riss sie schmerzhaft in die Wirklichkeit zurück. Sie zuckte zusammen, und auch Jaquento guckte sich wild um. Sein Atem ging ebenso schwer wie der ihre, und sie
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