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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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sah das Verlangen in seinen Augen, doch ein erneuter, näherer Ruf verbot jeden weiteren Gedanken daran. Hastig sprang sie auf und nestelte an den Knöpfen ihrer Kleidung. Ein Blick zu Jaquento zeigte ihr, dass er sich ebenfalls erhoben hatte und sein Haar richtete. Von der Echse war nichts zu sehen; Roxane hatte vorher kaum einen Gedanken an sie verschwendet, und nun war sie verschwunden.
    »Leutnant?«, ertönte es nah, und jetzt erkannte die junge Offizierin Hughams Stimme.
    »Ja«, antwortete sie und schloss den letzten Knopf, gerade als Hugham einen Baum umrundete und ins Sichtfeld trat.
    »Der Kapitän schickt mich, ich soll mich nach Ihrem Befinden erkundigen«, erläuterte Hugham und blickte von Roxane zu Jaquento. »Verzeihung, wir wurden einander noch nicht vorgestellt.«
    »Leutnant Hugham, das ist Jaquento«, erklärte Roxane hastig. »… Jaquento«, wiederholte sie lahm, als sie bemerkte, dass sie seinen Nachnamen nicht kannte.
    »Jaquento? Es ist mir eine Ehre.«
    In ihren Augen meinte Roxane Erkenntnis zu sehen. Sie spürte die Schamesröte auf ihren eigenen Wangen; fühlte, dass sie schuldbewusst wie ein Schulmädchen zu Boden blickte, ohne etwas dagegen tun zu können. Sie muss es wissen. Bei der Einheit, was habe ich getan?
    »Und?«, fragte Hugham, was Roxane blinzeln ließ. Sie wird mich bloßstellen, sie wird mich zwingen, alles zu berichten. Ein Techtelmechtel im Garten des Gouverneurs mit einem Fremden, der möglicherweise im Dienst einer feindlichen Nation steht! Das könnte glatt in einem der Fünf-Shilling-Romane stehen, die in Corbane so hoch im Kurs stehen, dachte sie zynisch und fluchte innerlich über ihre Naivität. Dann jedoch durchfuhr sie ein Schreck: Was, wenn er tatsächlich anderen Mächten dient? Dann komme ich wegen Hochverrats vor ein Kriegsgericht!
    »Was und?«, fragte sie mit tonloser Stimme.
    »Ihr Befinden, Thay? Geht es Ihnen gut?«
    »Bestens, danke der Nachfrage. Wir haben nur ein wenig die Nachtluft genossen. Es war … sehr stickig im Saal.«
    »Allerdings«, stimmte ihr Hugham zu, aber Roxane glaubte, die berechtigte Skepsis in ihrem Blick zu sehen. »Sollen wir dennoch wieder hineingehen?«
    »Natürlich. Sie entschuldigen uns, Jaquento?«
    Ohne etwas zu sagen, verneigte sich der Hiscadi elegant. Sie konnte seine Miene nicht lesen, da er im Schatten stand. Aber als sie sich umdrehte, glaubte sie, seine dunklen Augen auf sich ruhen zu spüren. Ihr war heiß, und sie zitterte am ganzen Leib. Von unten drang das beruhigende Rauschen der See zu ihnen herauf, und sie sehnte sich plötzlich nach dem Meer, wollte alles, die Villa und den Empfang, einfach nur hinter sich lassen.
    »Vielleicht ist mir doch nicht ganz wohl«, stellte sie fest. »Können wir zu der Kutsche gehen, damit ich auf das Schiff zurückkehren kann?«
    »Natürlich, Thay. Ich werde es dem Kapitän melden.«
    »Danke«, erwiderte Roxane aufrichtig. Ihre Gedanken flogen umher wie eingesperrte Vögel, und sie konnte keinen von ihnen klar fassen. In ihr stritten Erleichterung und Enttäuschung, und alles, was sie spürte, waren Jaquentos Lippen, die weich und zärtlich ihre eigenen berührten.

FRANIGO

    Gedämpftes Murmeln war überall im Saal zu vernehmen. Die Lichtquellen waren raffiniert mit Seidenschirmen verdeckt, aber noch hell genug, um die Kleidung und den Schmuck der Anwesenden zu erkennen und beurteilen zu können. Ein Abend im Theater, ohne hämisch über Alterserscheinungen und Verfall, aber auch neidisch über Schönheit und Reichtum sprechen zu können und gleichzeitig eine Bestätigung der eigenen Position zu erhalten, war für die wenigsten erstrebenswert.
    Nervös ließ Franigo seinen Blick hin und her wandern. Er hätte es vorgezogen, hinter der Bühne zu sein, wo er noch Einfluss hätte nehmen können, doch der Princiess hatte ihn großzügigerweise in seine eigene Loge eingeladen, und dieses Angebot konnte der Poet natürlich nicht ausschlagen.
    Spannung hing in der Luft, eine Erwartung des Kommenden, die in der Tonlage der Gespräche mitklang, in den Blicken und Mienen der Zuschauer zu sehen war und die Franigo beinahe mit Händen greifen konnte. Eine Premiere förderte diese Stimmung natürlich, doch diesmal gab es noch mehr Grund zur Aufregung. Ein neuer Dichter, von Gureman gefördert, aus der Fremde. Ein Mann ohne Namen, dessen Werk alles Mögliche sein konnte. Natürlich würde die Qualität, nicht nur der Inszenierung, sondern auch des Stückes selbst, auf den Princiess

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