Sturmwelten 01
zurückfallen, da Gureman diese Aufführung eigenhändig durchgesetzt und finanziert hatte. Er hatte keine Kosten gescheut und die besten Schauspieler der Stadt und damit des Landes angeworben. An ihnen wird es nicht liegen , dachte Franigo mit einem Gefühl der Beklemmung in der Brust. Forschend betrachtete er die Mienen der Zuschauer, suchte nach Anzeichen ihrer Stimmung. Vielleicht hätte ich doch traditioneller arbeiten sollen. Vielleicht war es ein Fehler, einen solchen Einstieg wagen zu wollen. Vorsichtig tupfte er sich die Stirn mit dem parfümierten Taschentuch ab. Seine eigene Sorge – oder eher Angst, wenn er ehrlich zu sich sein wollte – überraschte ihn. Nach langer Mühe war er genau an jenem Punkt angelangt, an den er sich immer gesehnt hatte. Der Hof von Géronay, das Zentrum der zivilisierten Welt, gab ihm eine Chance, und er war sich seines Könnens sicher. Dennoch schlug sein Herz laut in seiner Brust. Das Publikum war flatterhaft, und manchmal erkannten die Leute ein großes Werk einfach nicht.
»Seid Ihr etwa aufgeregt?«, ließ sich der Princiess neben ihm vernehmen. Seine Stimme klang amüsiert.
»Ich muss gestehen, dass dies der Fall ist, Euer Exzellenz.«
»Euer Stück wird sicherlich ein Erfolg, guter Mann.«
»Hat Euer Exzellenz es noch gelesen?«
»Nein. Ich würde mir doch nicht den Spaß an der Aufführung nehmen, indem ich vorher das Stück lese. Aber die Zeit ist reif dafür. Und außerdem …«
Der Princiess warf einen bedeutungsschweren Blick zur königlichen Loge. Franigo schluckte schwer. Gerade wurden die Vorhänge von Bediensteten beiseitegezogen, und sechs Wachen stellten sich rechts und links in die dafür vorgesehenen Nischen. Das konnte nur eines bedeuten: Die höchsten Ränge der königlichen Familie würden anwesend sein. Mehrere Gefühle stritten in der Brust des Poeten um die Vorherrschaft: Entsetzen wurde von Stolz abgelöst, der einer tiefen Angst weichen musste, deren Ränder von Hoffnung gefärbt waren.
Dann sah er, wie der König selbst in einem der roten Sessel Platz nahm und sich zu seiner Begleitung umwandte, einer schönen jungen Frau, die Franigo nicht kannte. Alle Geräusche im Saal waren verstummt, alle Augen hingen gebannt an der königlichen Loge. Unten im Saal gingen Ordner umher und löschten die Lichter hinter den Wandschirmen, während Franigos Gedanken tanzten.
So abgelenkt war er, dass er minutenlang nicht bemerkte, dass sein Stück bereits begonnen hatte. Auf der Bühne stritten sich der aufgeplusterte Veteran Bouflé und die junge Magd Rega um den Schinken, und der Poet mochte seinen eigenen Worten nicht folgen. Sie klangen hohl in seinen Ohren, aufgesetzt, gestelzt und ohne Leben. Was ihm beim Schreiben noch Freude bereitet hatte, trieb ihm nun Tränen der Scham in die Augen. Die Geschichte war durchschaubar und altbekannt, die Figuren langweilig und die Sprache eine einzige Katastrophe. Esterge hatte mit seiner Meinung recht gehabt. Wie konnte ich diesen Unfug nur für genial halten?
Schweißtreibende Minuten folgten, und Franigo sank immer tiefer in seinem Sessel in sich zusammen. Inbrünstig betete er zur Einheit, dass der Boden sich auftun solle, um ihn noch vor Ende des Debakels zu verschlingen. Ein Herzschlag wäre ihm auch gerade recht gekommen, doch stattdessen endete der erste Akt, und der Vorhang senkte sich mit der ehernen Unbeirrbarkeit, mit der nun auch Franigos Stern zu Boden sinken und verenden würde.
Atemlose Stille herrschte im Zuschauersaal, und der Poet schloss die Augen und ergab sich in sein Schicksal. Er sah sich im Geiste schon flüchten, beworfen mit angeknabberten Naschereien und von höhnischem Gelächter verfolgt.
Da ertönte ein einzelnes Geräusch. Jemand klatschte. Ein schneller Blick bestätigte Franigo, dass es aus der königlichen Loge kam, dass es der König selbst war, der, zwar nicht enthusiastisch, wohl aber amüsiert klatschte.
Schnell brandete Applaus auf. Das Signal war gegeben, der Damm gebrochen. Niemand musste sich schämen, seine Zustimmung zu zeigen, da selbst der König sich offenkundig unterhalten fühlte.
»Ich sagte doch, es wird gefallen«, flüsterte Gureman lächelnd, dessen Stimme das Donnern des Beifalls überraschend einfach übertönte. Dankbar blickte Franigo seinen Gönner an und lachte über seine eigenen Zweifel. Sie erschienen ihm nun geradezu lächerlich. Die Wogen des Applauses erhoben ihn; und er ließ sich auf ihnen tragen, wie es angemessen war, und erfreute sich an
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