Sturmwelten 01
ihnen.
Der Rest des Stücks verging wie im Flug. Immer wieder wurde Franigo von seiner eigenen Arbeit überrascht, in der er nun tatsächlich Witz und Geist entdecken konnte, und als der Vorhang nach dem furiosen Finale ein letztes Mal fiel und die Schauspieler dank der stehenden Ovationen noch einmal zurückkehrten, um sich zu verbeugen, schwebte Franigo glückselig im Aufwind des eigenen Erfolgs.
Der Gang an der Seite des Princiess hinab in die Vorhalle wurde zu einem Triumphmarsch. Fremde sprachen ihm Glückwünsche aus, lobten sein Talent und sein Können in den höchsten Tönen. Mit aller gebotenen Bescheidenheit nahm der Poet die Komplimente entgegen. Er war wie berauscht von der Aufmerksamkeit, seine Zunge war locker und seine Antworten geistreich und elegant. In den Blicken der Damen konnte er unter dichten Wimpern Verlangen erkennen, in den Augen der Männer Achtung und Neid.
Natürlich hatte Esterge mit seiner Kritik danebengelegen. Leise lachte Franigo. Was versteht so ein alter Soldat und Haudegen schon vom Theater? Gewiss haben die vermaledeiten Romane sein Urteilsvermögen getrübt.
»Seine Majestät bat mich, Euch sein Wohlwollen auszusprechen«, ertönte plötzlich eine Stimme, die Franigo aus seinen Gedanken riss. Ein Diener in der prunkvollen königlichen Livree verneigte sich und verschwand wieder in der Menge. Die Umstehenden nickten einander zu, einige klatschten gar höflich. Und Franigo war sicher, dass das Wort in der Stadt die Runde machen würde, noch ehe er das Theater verlassen hatte.
»Ah, Gasparde«, erklärte ein kleiner Mann in der geschmückten Uniform eines hochrangigen Offiziers. »Mein Glückwunsch. Euer Mann hier scheint Talent zu haben.«
»Vielen Dank«, erwiderte der Princiess freundlich. »Ein glücklicher Umstand ließ mich sein erstes Stück von der königlichen Loge aus entdecken.«
»Ich bin ja mehr ein Mann der Tragödie«, erklärte der Offizier und wollte gerade fortfahren, doch der Princiess warf schnell ein: »Ich weiß.«
Um sie herum wurde gekichert, und der Offizier verzog das Gesicht.
»Diese leichte Unterhaltung liegt mir nicht so sehr.«
»Verzeiht, wenn ich mich einmische, Euer Exzellenz«, erklärte Franigo und sah den Offizier würdevoll an. »Ich habe eine neue Form der Komödie geschaffen. Man könnte sie als moralisches Lustspiel bezeichnen. Ich denke, dass sich auf diese Art und Weise die Vorzüge der Komödie und der Tragödie aufs Vortrefflichste vereinen lassen.«
»Die Formen des Theater sind seit alters her gegeben«, protestierte sein Gegenüber und zwirbelte entrüstet seinen grauen Bart. Sein Hauptaar schien bereits in ein Rückzugsgefecht verwickelt zu sein, und ein großer Teil seines Schädels war kahl, doch sein Bart war buschig und beeindruckend, ebenso wie seine Koteletten.
»Corban hat das Reich der Nigromantenkaiser hinweggefegt, das ebenfalls seit alters her Bestand hatte«, erklärte der Poet ruhig.
»Wollt Ihr Euch etwa mit dem Propheten vergleichen?« In der Stimme des Mannes klang Entrüstung mit. Natürlich schüttelte Franigo den Kopf und winkte ab.
»Nichts liegt mir ferner, Mesér, aber dennoch ist nicht alles, was alt ist, auch gut.«
»Das solltet Ihr doch wissen, Bouflon«, warf der Princiess ein, was den Angesprochenen rot anlaufen ließ. Ohne ein weiteres Wort drehte sich der Veteran auf dem Absatz um und stapfte in die Menge. Um sich herum sah Franigo amüsierte Gesichter, die den Schlagabtausch interessiert verfolgt hatten und ihm nun anerkennend zunickten.
»Ein mächtiger Mann«, stellte Gureman leise fest. »Ein treuer Soldat, der wiederum die Loyalität seiner Männer genießt. So ein Mann ist nur schwer anzugreifen.«
Stumm nickte Franigo, während er seinem Gönner folgte. Aber man kann ihn indirekt angreifen. Wenn man die Person nicht treffen kann, zerstört man ihren Namen, macht ihn lächerlich, und keiner wird den Mann dahinter mehr ernst nehmen.
Schon waren sie auf dem Vorhof, wo die Kutsche des Princiess wartete. Für Franigo hätte der Abend noch endlos weitergehen können, doch sie stiegen in das Gefährt, schlossen die Türen und zogen die Vorhänge zu. Kurz hörte der Poet noch das Gemurmel seiner Bewunderer, dann rumpelte die Kutsche los.
Zufrieden ließ er die Hand in die Tasche seines Wamses gleiten, wo er die Zettel spürte, die ihm von einigen Damen zugesteckt worden waren. Morgen musste er sie lesen und entscheiden, welchen von ihnen er die Gunst seiner Aufmerksamkeit schenken
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