Sturmwelten 01
kommissarischen Schiffsführers begossen.
Der Geruch nach Alkohol und Schweiß ließ Jaquento zurückweichen, bis er endlich aus der Traube trat und sich an den Bug stellte. Einige Momente lang war er allein und genoss den kühlenden Wind. Dann spürte er einen vertrauten Zug an seiner Kleidung, und die Echse kletterte geschwind an ihm hoch, bis sie an ihrer gewohnten Stelle auf seiner Schulter saß.
»Du hast einiges verpasst. Wo bist du gewesen?«, fragte Jaquento, doch als er ihr weißes, mit Mehl verschmiertes Mäulchen sah, über das ihre lange Zunge leckte, fügte er hinzu: »Schon gut, ich will es gar nicht wissen.«
Hinter ihm wurde das Fest immer ausgelassener, denn obwohl die Sonne ihren Zenit gerade erst erreicht hatte, wurden Fässer mit Rum, Wein und Bier an Deck gehievt und dort geöffnet, sodass jeder trinken konnte, was und so viel er wollte. Trinksprüche wurden ausgebracht, es wurde gejubelt, gelacht, geschrien und gesungen.
Als er sich umblickte, sah Jaquento jedoch weder Deguay noch Rahel oder Quibon. Selbst Pertiz schien verschwunden zu sein. Seufzend stieß sich Jaquento von der Reling ab. Früher oder später würde er mit Rahel reden müssen, auch wenn ihn die Vorfreude darauf nicht gerade übermannte. Sie war in das Spiel des Kapitäns verwickelt, und seine Handlungen hatten dessen Pläne durchkreuzt.
Also schlängelte er sich durch die Feiernden, ignorierte den Schwall Bier, den er im Gedrängel über den Rücken geschüttet bekam, und stieg hinab unter Deck. Seine Rechte lag auf seinem Degen, und er spähte kampfbereit einen Moment in das Zwielicht, ohne etwas Verdächtiges zu entdecken. Aufmerksam ging er nach achtern. Erst als er Rahels Tür erreichte, hörte er Stimmen, die ihn innehalten ließen.
»… sturer Dummkopf«, sagte Rahel wütend, und instinktiv bezog Jaquento ihre Worte auf sich.
»Mag sein«, erwiderte eine Stimme, deren leicht géronaischer Akzent den Sprecher als Pertiz identifizierte. »Aber geschehen ist geschehen. Jetzt gilt es, nach vorn zu schauen. Komm mit mir auf die Wyrdem , und ich mache dich zu meiner rechten Hand.«
»Mein Platz ist hier. Daran hat sich nichts geändert. Du weißt, was ich dem Käpt’n schulde.«
»Dann gib mir Jaquento mit.«
Überrascht ließ der junge Hiscadi die Hand wieder sinken, statt anzuklopfen. Sein Herz schlug laut, und er verfluchte sich in Gedanken dafür, doch seine Neugier war geweckt.
»Jaq? Er sollte hierbleiben.«
»Er sollte bei dir bleiben, meinst du wohl. Aber das ist keine gute Idee. Quibon ist hier, und Rénand …«
»Der Käpt’n mag Jaq«, unterbrach ihn Rahel kurz angebunden.
»Du hast Quibon vorgeschlagen, weil Rénand dich darum gebeten hat«, vermutete Pertiz, woraufhin Rahel kurz schwieg, bevor sie antwortete: »Ja. Er sagte, es wäre am besten, wenn Quibon von Bord geht. Er hat seine Niederlage nicht gut weggesteckt.«
»Ich dachte schon, Jaq hätte den miesen Bastard erwischt. Verdient gehabt hätte er es. Aber es sollte nicht sein, und Quibon wird Rache suchen. Sobald es ihm besser geht, wird er seine Leute um sich scharen und Jaquento angehen.«
»Das wird der Käpt’n nicht zulassen«, erklärte Rahel, doch ihre Stimme klang unsicher.
»Nach dem heutigen Tag? Jaquento hat sich ihm in den Weg gestellt, und du kennst Rénand so gut wie ich.«
»Ich muss darüber nachdenken.«
»Tu das, aber nicht zu lange. Wir werden schon bald wieder die Segel setzen, und dann ist es zu spät. Vertrau mir, Rahel. Du weißt, dass Jaquento den Ruf des Meeres gehört hat; er hat das Zeug dazu, ein ausgezeichneter Seemann zu werden, mehr als die meisten. Unter meinem Kommando wird ihm das gelingen.«
Ohne auf das Argument einzugehen, wiederholte Rahel fest: »Ich denke darüber nach.«
Mit einigen schnellen Schritten lief Jaquento zum Niedergang und drehte sich gerade rechtzeitig um, bevor Pertiz aus Rahels Tür trat.
»Ah, Jaquento, schon genug gefeiert? Oder beginnt eure private Feier erst jetzt?«, fragte Pertiz mit einem Zwinkern und lief an dem jungen Hiscadi vorbei zur Treppe. Ohne zu antworten, ging Jaquento weiter und atmete dabei tief aus. Er betrat die Kammer und sah Rahel, die sich gegen die Bordwand lehnte.
»Du hast das Viech dabei?«, fragte sie anklagend, aber ihre Stimme klang müde, und Jaquento hob entschuldigend die Hände.
»Ich muss dich um Verzeihung bitten. Ich habe mich gegen dich gestellt.«
»Halt den Mund. Wir sind frei hier, schon vergessen? Jeder trifft seine eigenen
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