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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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ihr von hinten, und sie fuhr erschrocken herum. Die Scheinwerferkegel eines Automobils tasteten wie suchende Finger über die Straße. Da sie nicht gesehen werden wollte, beschleunigte sie ihre Schritte. Ihr Ziel, die nächststehende Baumgruppe, behielt sie fest im Blick. Die Eisschicht, die die schlanken Zweige der Weiden starr umhüllte, klirrte wie winzige Glöckchen, als die Frau zwischen ihnen hindurchhuschte.
    Mit einem wütenden Aufheulen des Motors schoss das Fahrzeug an ihr vorüber. Sie presste sich Schutz suchend an einen rauen Baumstamm und hoffte, unentdeckt zu bleiben. Unkontrolliert schlitterte das Gefährt auf die nahe gelegene Brücke und stoppte dort mit quietschenden Reifen.
    Ein heißer Schauer der Furcht durchlief ihren Körper. Sie durfte um diese nächtliche Stunde nicht allein auf den Straßen unterwegs sein. Was würde mit ihr geschehen, wenn die Insassen des Wagens sie entdeckten?
    Vor Kälte und Angst zitternd beobachtete sie, wie mehrere Männer aus dem Automobil sprangen und sich in seinem Inneren an irgendetwas zu schaffen machten. Unverständliche Wortfetzen drangen zu ihr.
    Die schwarzen Silhouetten schleppten etwas Schweres mit sich und hievten es auf das Brückengeländer. Entsetzt riss die heimliche Beobachterin die Augen auf. War das etwa ein Mensch, den die Männer da hielten? Was hatten sie mit ihm vor?
    Sekunden später schlug das reglose Bündel auf der Eisschicht der Neva auf, die unter seinem Gewicht in tausend Teile zersprang. Die Splitter blitzten für einen kurzen Moment silbern im fahlen Mondlicht auf, als wollten sie die Grausamkeit der Szenerie beleuchten. Dann trug das schwarze, jetzt im Winter träge fließende Wasser den Körper mit sich davon.
    Die Frau glaubte zwischen den Eisschollen zwei nach oben greifende Hände zu sehen, als suche die Person verzweifelt nach Rettung, doch dann verschwanden auch sie.
    Zurück blieb der eiskalte Fluss, dessen Gurgeln vom aufjaulenden Motor des sich entfernenden Wagens übertönt wurde … und eine junge Frau; reglos vor Entsetzen über das Gesehene, zumal sie die Täter erkannt hatte.

Teil 1

Kapitel 1
    Bei Paris, Frankreich,
Juli 1914
    Der prächtige Saal des Chateaus erstrahlte im Licht flackernder Kerzen und vereinzelt in den Nischen angebrachter elektrischer Lampen. Die in altrosa gehaltenen Wände mit ihren hellen Fensterrahmen und die weiße Stuckdecke gaben dem Raum eine würdevolle Note, während zwei offene Kamine, in Gold gerahmte Landschaftsbilder und mit Blumenmustern geschmückte Chintzsessel für eine heimelige Atmosphäre sorgten. Den jetzt im Sommer unbenutzten Kaminen gegenüber lag eine Fensterfront, von der drei Türen zur erhöht gebauten Terrasse führten. Vor ihnen tanzten luftige Gardinen wie zarte Elfen im leichten Nachtwind.
    Attraktive Damen in aufsehenerregenden Abendroben flanierten an den ebenso exquisit gekleideten Herren in Frack, Gehrock und Zylinder vorbei oder saßen in Gruppen beieinander und unterhielten sich angeregt. Obwohl ein hervorragendes Musikensemble spielte, drehten sich nur wenige Paare auf der Tanzfläche. So mancher Mann fand die Zeit nach dem tödlichen Attentat Gavrilo Princips auf den österreichischen Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gattin Sophie nicht zum Tanzen geeignet, zumal sich die politische Lage dramatisch zuzuspitzen begann, seit Österreich sein Ultimatum an Serbien übermittelt hatte.
    Wenngleich sich mit Staatspräsident Raymond Poincaré, der erst vor wenigen Tagen aus dem russischen St. Petersburg zurückgekehrt war, nun ein hochrangiger Politiker an den Gesprächen beteiligte, war Philippe Meindorff nicht konzentriert bei der Sache. Hinter der Männergruppe schlenderten einige Damen vorüber, und sein Blick fiel auf eine groß gewachsene junge Frau in modischem Kostüm. Anders als die zierlichen Grazien in ihrer Begleitung wirkte sie ungewöhnlich athletisch, dabei aber noch immer sehr feminin. Er erhaschte einen Blick auf das Profil der Frau und stellte erstaunt fest, dass sie ihm bekannt vorkam.
    Ohne Zögern stieß er sich von der cremefarbenen Marmorsäule ab, an der er gelehnt hatte. Er umrundete die Diskutierenden, um freie Sicht auf die Frauen am Büfett zu erlangen, ohne dass er dabei ein Wort der politisierenden Unterhaltung versäumte. Während Philippe dem lebhaften Wortwechsel zwischen französischen Militärs, Politikern und wohlhabenden Geschäftsmännern lauschte, zog er an seiner straff sitzenden schwarzen Krawatte, die ihm die Atemluft

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