Sturz in die Vergangenheit
änderte. Ihn würde nichts mehr retten. Doch Mattis wollte zurückkommen. Zu ihr und zu Ilya.
Du bist nicht Lida.
Der Laut aus ihrem Mund war eindeutig kein Schluchzen.
Geflederte Zeit
„ M ila? Wo bist du?“ Mit Schwung setzte Matthias sich auf. Was er sofort bereute. Seine Hände fuhren an seinen wieder einmal hämmernden Schädel. Verdammt, tat der weh. Das war auch mit stundenlangem Traumschreiben nicht zu erklären. Diesmal musste er länger weggeblieben sein, es war ja schon ganz dunkel.
„Mila?“
Sie war nicht mehr da, sonst hätte sie längst geantwortet. Matthias seufzte. Dabei war doch klar, sie musste zu Ilya, Käthe und Joh... Übelkeit schwappte urplötzlich über ihm zusammen. Er krümmte sich, ganz darauf konzentriert, sich nur ja nicht zu übergeben.
Zum Glück wich das Gemisch aus Schmerz und Unwohlsein rasch einem dumpfen Druck in Kopf und Bauch. So ging es schon eher und er hatte Gelegenheit, sich auf die finstere Umgebung zu konzentrieren. Im Vergleich zu seinem letzten Aufflackern war etwas anders geworden, das konnte er deutlich fühlen. Und dieses Gefühl bezog sich nicht auf die Dunkelheit.
Da hatte er die Erinnerung plötzlich wieder vor Augen. Hier roch es nach Fledermäusen, war kühl und feucht – und ja, selbst das Wasserrauschen fehlte nicht. Er war in der Höhle.
Verdammt! Wie war das jetzt zugegangen? Soeben war er doch noch im Wald gewesen, nahe des Heiterwanger Sees, zusammen mit Mila. Und Meinhards Männer ...
Die Erkenntnis traf ihn wie ein Keulenschlag. Es war zu Ende. Sein Traum, seine Wahnvorstellung oder wie auch immer der Zustand heißen mochte, in dem er sich befunden hatte – es war tatsächlich vorbei. Er war zurück. In sich.
Nur in sich. Weg gewesen war er nämlich nie. Hatte nur hier gelegen und sich alles zurecht phantasiert. Angefangen von den bissigen Fledermäusen, über Tills Leiche, bis hin zu Mila und Ilya.
Er musste die Zähne aufeinanderbeißen, so weh tat der Gedanke an die beiden.
Aber genau dieser Schmerz machte alles klar: Er hatte mit seiner Vergangenheit abschließen wollen, deshalb war er in die Höhle gegangen. Dort war er gestürzt und der Rest – war wunderschön und spannend gewesen, erfüllend, teilweise auch beängstigend, letztlich jedoch zutiefst befriedigend. Aber eben nicht real.
„Nicht real“, musste er laut wiederholen. Das jetzt und hier war wirklich. Sein Unwohlsein, der Durst, den er verspürte, die Feuchtigkeit unter ihm. Entsetzt fuhr er hoch, deutlich vor Augen, dass er in dieser Höhle schon einmal Feuchtigkeit wahrgenommen hatte, die sich dann als Blut entpuppt ... Nein, das gehörte zu seinen Phantasien. Diesmal roch es auch ganz anders. Und fühlte sich anders an. Rein, flüssig, klar. Wasser. Keine Leiche, kein Till.
Mein Krimi!
Aufatmend sank er zurück. Er hatte seinen selbsterfundenen Krimi erlebt. Daher hatte er auch ständig vom Akt des Schreibens geträumt.
Allerdings, so ein richtiger Krimi war es nicht gewesen, so ganz ohne Ermittlungen und ohne Polizei. Dafür mit sehr viel Mittelalter und mit der unwiderstehlichsten Lida, die er sich hätte erträumen können. Und mit Elias! Ein warmes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus. In seiner Phantasie hatte er es besser gemacht als im wirklichen Leben und ihn nicht sterben lassen. Sogar zweimal nicht. Wenn das nicht ein Erfolg war!
Aber jetzt sollte er zusehen, dass er aus dieser Nässe herauskäme. Richtig kalt war ihm. Tastend orientierte er sich. Fand feuchten Stein, Stalagmiten, eine Pfütze mit Wasser, einen kleinen Absatz, kaum handbreit. In eine Mulde war er gestürzt, nachdem ihn die Fledermäuse gejagt hatten? Nicht etwa in ein tiefes Loch?
Er lachte so laut, dass es von den nicht zu sehenden Höhlenwänden widerhallte. Allerdings brach er schnell ab, die Fledermäuse wollte er nicht schon wieder aufschrecken.
Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Jetzt voll konzentriert, sah er herum. Der Ausgang, wo war der?
Die tiefe Dunkelheit hier in der Höhle sollte eigentlich gleichmäßig sein. Ungleichmäßigkeit wie der sachte Schimmer dort drüben – musste die nicht bedeuten, dass dort etwas anderes war als reine Finsternis? Matthias peilte die Richtung an und tastete sich langsam vorwärts. Hinein in Mulden, unter Stalagtiten hindurch, um Wandvorsprünge herum, über Felsen am Boden. Zum Glück keine tiefen Löcher – und auch keine Fledermäuse.
Je näher er an die lediglich diffuse Dunkelheit herankam, desto mehr konnte er
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