Sturz in die Vergangenheit
spielen, werde ich mein Wort halten.“
Der verheißungsvolle Tonfall, den er gewiss angestrebt hatte, war zu einem Krächzen geraten – was allerdings nicht minder erfolgreich war.
„Du bist ein Schuft“, wiederholte Mila, und Johann lachte, schenkte ihr ein strahlend ironisches Lächeln – und gab der Tür ihres Gefängnisses einen Tritt, sodass sie hinter ihm dröhnend ins Schloss fiel.
„SCHUFT“, brüllte Mila sie an.
Johanns Lachen verebbte im Tempo seiner Schritte.
Mila war allein. Klebrig und ernüchtert und – wütend. Mit ruckigen Bewegungen zog sie sich wieder an. Verdammt, sie hatte ihn dazu gekriegt, ihr sein Ehrenwort zu geben. Und er hatte sie hereingelegt. Hatte bekommen, was er wollte, ohne sein Versprechen einlösen zu müssen. Das war ...
„Das ist das Letzte“, schrie sie weiter. „Und mir reicht es jetzt. Ich werde mich nicht länger von dir demütigen lassen, ich werde mich nie wieder mit dir einlassen!“
Sie wirbelte herum und stampfte mit lauten Schritten durch den Raum. Mäßigte sich, als sie die Tür zum Schlafraum aufmachte, um Ilya nicht zu wecken. Sie musste sich auch gar nicht länger aufregen. Das Spiel zwischen Johann und ihr war vorbei. Morgen würde sie ihn auffordern, sie gehen zu lassen. Und wenn er sich weiter sperrte, würde sie ihm sagen, dass sie ausstieg. Endgültig. Wenn er sie dann nehmen wollte – dann müsste er es mit Gewalt tun. Nie wieder würde sie zulassen, mit ihm Lust zu empfinden. Nie mehr!
Das Mädchen mit den roten Wangen
H astiges Hufgetrappel riss Matthias aus einem von unruhigen Träumen durchzogenen Schlaf. Es dämmerte, und als sein Kopf hochfuhr, konnte er drei Pferde mit zwei Reitern die Straße entlangtraben sehen.
Da war er schon auf den Beinen und rannte der Gruppe hinterher. Mit mäßigem Erfolg allerdings. Die Pferde waren hier unten in der Talsohle sehr viel schneller als er, die Distanz zu ihnen wuchs rasch. Schließlich blieb er stehen. Der braune Sack mit der Leiche auf dem dritten Pferd war deutlich zu erkennen.
„Verdammt.“ Wütend boxte er in die Luft. Nun war es für alles zu spät.
„Du scheinst ja eine wirklich interessante Geschichte zu haben.“
Matthias' Kopf ruckte zu dem Mann von heute Nacht herum, der ein Stück hinter ihm herhechelte. In einen schmuddlig grauen Umhang gekleidet, Hut und Bündel unter dem Arm, kam er heran. Überrascht starrte Matthias in ein sehr schmutziges, wenn auch augenscheinlich unversehrtes Gesicht, in dem noch kaum ein Bart spross. Matthias schätzte ihn auf höchstens siebzehn oder achtzehn Jahre. Ein Junge, dessen Haare unbestimmbarer Farbe in langen und dicken Strähnen vom Kopf hingen.
„Du bist ja völlig gesund.“ Von wegen Lepra! Die Empörung über die nächtliche Lüge überwog sogar die Erleichterung darüber, sich eben nicht einer Ansteckung ausgesetzt zu haben.
„Vor einem Jahr beim Examen Leprosorum war das noch viel weniger. Und da schon hat man mir gesagt, das da sei Aussatz.“ Ganz ruhig hatte der Junge seinen Ärmel zurückgestreift und wies auf eine rötlich verfärbte Hautstelle. „Der Beginn, sozusagen.“
Doch keine Lüge. Matthias würde sich also nach seiner Rückkehr sofort behandeln lassen müssen. Zu Wolfgang würde er gehen, das war sicher am besten. Der war schließlich ein guter Arzt und würde hoffentlich nicht allzu viele Fragen stellen.
Ohne sich dessen sicher zu sein, sagte er, mit Blick auf die roten Flecken: „Man kann das gewiss noch heilen.“ Hätte er doch nur Wolfgangs Antibiotika mitgenommen!
„Ich weiß“, antwortete der Junge. „Du musst mir nur verraten, wo und wie ich an Schildkrötenblut herankomme.“
„Schildkröten... ?“ Matthias blieb der Mund offen stehen.
„...blut“, vollendete der Junge den Satz. „Wirkt angeblich Wunder. Aber zeig mir mal den Aussätzigen, der noch so viel Geld hat, wenn er mal ausgestoßen ist.“
„Dann warst du also nicht immer Bettler?“
„Weder aussätzig noch Bettler. Hast du mir heute Nacht nicht zugehört?“ Der Junge stellte ein Bein vor und verbeugte sich mit übertriebenem, Hut wedelndem Eifer. „Ehrenwerter Mattis, wenn ich also erneut vorstellen darf: Gangolf, Wolfgangs Sohn, Baumeistergeselle und Familienerbe.“ Er richtete sich wieder auf und deutete auf seinen Arm. „Vor dem hier natürlich. Jetzt bin ich Bettler.“
Doch Matthias achtete kaum auf seine Worte. Aufmerksam starrte er in Gangolfs Gesicht. Ja, da war Ähnlichkeit. Aber konnte es sein? „Wie
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