Succubus Dreams
Sein Haus lag etwa eine Meile von Dante entfernt in einer alten, aber gut gepflegten Umgebung und war eines jener Bungalows, wie sie in Seattle so häufig anzutreffen waren. Der Vorgarten stand voller Rosen, die gerade ihren Winterschlaf hielten. Als wir die Treppe hinaufstiegen, hatte ich kurz Erik vor Augen, der im Sommer die Blumen pflegte.
Dante öffnete die Tür, bevor ich anklopfen konnte. Ich fragte mich, ob er mich gespürt oder uns schlicht durchs Fenster gesehen hatte. Er reagierte nicht besonders auf Seths Anwesenheit und bat uns hinein in das einzige Schlafzimmer des Hauses.
Innen sah es so aus, als wäre schon eine Weile lang nicht mehr renoviert worden. Tatsächlich erinnerte mich ein Großteil des Mobiliars an den Stil aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Ein schlichtes Sofa mit grobem Bezug. Ein Sessel mit abgenutztem Cordsamt im Gold der 70er Jahre. Ein Fernseher, der nach einem alten Schwarz-Weiß-Gerät aussah.
Nichts davon löste eine Reaktion in mir aus. Was mich jedoch überraschte, war ein gerahmtes Foto auf einem Bücherregal. Es zeigte einen viel jüngeren Erik – vielleicht Mitte vierzig – mit weniger Falten auf der dunklen Haut und ohne Grau im schwarzen Haar. Er hatte den Arm um eine Brünette mit großen grauen Augen und einem Lächeln gelegt, das ebenso breit war wie das seine. Sie mochte etwas über dreißig sein. Dante stieß mich an, als ich stehen blieb, einen seltsamen Ausdruck auf dem Gesicht.
«Komm schon!»
Erik lag im Bett. Zu meiner Erleichterung lebte er. Bis zu diesem Augenblick war mir nicht klar gewesen, welche Sorgen ich mir gemacht hatte. Mein Unterbewusstsein hatte das Schlimmste befürchtet, obwohl ich mich geweigert hatte, es an die Oberfläche kommen zu lassen.
Aber lebendig oder nicht, so richtig gut sah er wirklich nicht aus. Er war in Schweiß gebadet und zitterte, die Augen waren groß und das Gesicht war bleich. Sein Atem ging flach. Bei meinem Anblick zuckte er zusammen, und eine halbe Sekunde lang erkannte ich das Entsetzen in seinen Augen. Dann schwand die Furcht und er versuchte sich in einem schwachen Lächeln.
«Miss Kincaid. Verzeihen Sie, dass ich Sie nicht angemessen empfangen kann.»
«Mein Gott!», sagte ich nach Luft schnappend und setzte mich auf die Bettkante. «Was ist passiert? Geht’s Ihnen gut?»
«Wird schon wieder.»
Ich musterte ihn und versuchte mir zusammenzureimen, was geschehen war. «Hat man Sie überfallen?»
Sein Blick flackerte zu Dante hinüber. Der zuckte die Schultern.
«In gewisser Weise», antwortete Erik schließlich. «Aber nicht so, wie Sie glauben.»
Dante lehnte sich an die Wand und wirkte etwas weniger ernst als zuvor. «Verschwende ihre Zeit nicht mit Rätseln, alter Mann. Spuck’s aus!»
Erik kniff die Augen zusammen und ein kleines Feuer flammte in ihren Tiefen auf. Dann wandte er sich wieder mir zu. «Ich wurde angegriffen… mental, nicht körperlich. Eine Frau ist heute Nacht zu mir gekommen… gespensterhaft, unmenschlich… umhüllt von Energie. Jener Art von schöner, berückender Energie, die ich manchmal an Ihnen wahrnehme.» Es war eine nette Umschreibung meines Post-Sex-Glanzes.
«Hatte sie Fledermausflügel und Flammenaugen?», fragte ich, weil mir Dantes Witz über die mythologische Beschreibung von Sukkuben wieder einfiel.
«Leider kein Sukkubus. Das würde die Sache vielleicht vereinfachen. Nein, das hier war… glaube ich… Nyx.»
«Haben… haben Sie Nyx gesagt?» Natürlich hatte er das gesagt, aber ich hatte erwartet, dass er etwas von Oneroi berichten würde, nicht von ihrer Mutter. Nyx schien absurd. Es war eine Sache, dass Traumgeister in deinem Schlafzimmer und deinen Träumen erschienen, aber eine völlig andere, dass ein ungeheuerliches vorzeitliches Wesen des Chaos auftauchte, das wesentlich an der Erschaffung der Welt mitgewirkt hatte, wie wir sie kennen. Es war, als würde jemand sagen, Gott sei auf dem Weg zur Arbeit auf einen Kaffee vorbeigekommen. Vielleicht lag Erik immer noch im Delirium.
«Nyx», bekräftigte er, da er zweifelsohne meine Gedanken erraten hatte. «Das Chaos persönlich. Oder, genauer gesagt, die Nacht persönlich.»
Dante in seiner Ecke lachte leise. «Jetzt sitzen wir alle in der Scheiße.»
«Sie ist die Mutter der Oneroi», erinnerte mich Erik. «Und obwohl Träume nicht ihre einzige Domäne sind, besteht nichtsdestoweniger eine Verbindung zwischen ihr und ihnen.»
«Dann…» Ich versuchte zu begreifen, was das zu bedeuten hatte. «Wollen Sie
Weitere Kostenlose Bücher