Suche nicht die Suende
Satz nach vorn, um ihn am Arm zu packen, aber Thomas machte sich davon frei und rannte an seinem Trauzeugen vorbei. Mit einem Satz sprang er über das Geländer und in das Hauptschiff.
Die Menge erhob sich mit einem allgemeinen Aufschrei. »Schwein!«, rief jemand und »Fangt den Flegel!«.
Thomas sprintete durch das Kirchenschiff und schlug einen scharfen Haken nach links zum Säulengang. Jemand wollte ihn ergreifen; er duckte sich jedoch zu einem Salto vorwärts, sprang wieder auf die Füße, verschwand hinter der Säulenreihe und war verschwunden.
Neben ihr stieß Mr Shrimpton einen leisen Pfiff aus. Gwen wandte sich um, ihn anzusehen. Die Welt zog langsam an ihren Augen vorbei.
Er hatte die Augenbrauen so hoch gezogen, dass sie seinen Haaransatz berührten. »Ich hatte keine Ahnung, dass er so schnell rennen kann«, sagte er.
Schraubzwingen krallten sich in ihre Arme. Sie sah herab. Hände waren es – blasse, schlanke Finger, die Handgelenke umwunden von flatternden Bändern und weißen Rosen.
Oh
, dachte sie. Ihre Brautjungfern versuchten, sie vom Altar wegzuführen.
Wieder
.
Gott im Himmel. Es war schon
wieder
geschehen.
Er hat mich tatsächlich bis vor den Altar gehen lassen.
Das hatte nicht einmal Lord Trent ihr angetan.
»Oh«, sagte sie, und der Klang ihrer eigenen Stimme ließ sie zusammenzucken. »Oh«, wisperte sie, als sie über ihre Schleppe stolperte, die Kerzen noch heller zu scheinen schienen und der Duft der Blumen immer betäubender wurde, ihr in die Augen stach und ihre Nase zum Laufen brachte. Sie schüttelte die Hände ab. Dies war aber neu, ganz und gar neu sogar. Lord Trent hatte doch zumindest den Anstand besessen, sie einen Tag
vor
der Hochzeit sitzen zu lassen, und so
ihr
die Möglichkeit gegeben, die Auflösung der Verlobung bekannt zu geben. Zwar war es ein schreckliches Debakel gewesen, vierhundert Gästen mitteilen zu müssen, dass ihr Erscheinen nicht mehr nötig war; die Zahl der Briefe, die sie geschrieben hatte, hatte ihr noch für Wochen danach einen Krampf in der Hand beschert. Aber das hier?
Oh, dies war
ganz
anders. Zum
zweiten
Mal jetzt.
Gwen schwankte einen Schritt zurück, dann noch einen.
Der Altar wich zurück.
Von einem Schlag wie diesem erholte man sich nie mehr.
2
»Bitte, Miss. Madam wünscht, dass Sie herunterkommen.«
Gwen zog die Knie noch enger an die Brust. Sie hatte sich unter ihrer Decke vergraben und sich ein Kissen auf das Gesicht gedrückt. Aber das war noch immer nicht genug. Was sie brauchte, war ein Panzer. Dann könnte sie dort hineinkriechen und sich verstecken, ganz gleich, wo sie wäre. In dieser Hinsicht waren Schildkröten wirklich glücklich dran. »Noch einmal«, sagte sie, »ich lasse mich entschuldigen.«
»Miss, sie besteht aber darauf! Es ist Besuch gekommen!«
Es waren nur die Ramseys, die ihr diese Unhöflichkeit verzeihen würden. Nichtsdestotrotz veranlasste die jammernde Stimme des Hausmädchens sie, das Kissen ein wenig anzuheben. Eine ungesunde Röte überzog Hesters Wangen. Kein Wunder! Tante Elena hatte sie in der letzten halben Stunde fünf Mal die Treppe zu ihr hinaufgescheucht.
Gwen warf das Kissen zur Seite und setzte sich auf. »Wenn meine Tante das nächste Mal nach mir schickt, ignorieren Sie es. Warten Sie einfach einen Augenblick in der Halle und sagen ihr dann, dass ich mich noch immer weigere.« Als Hester sie daraufhin zweifelnd ansah, stand Gwen auf, um ihren Worten mehr Autorität zu verleihen. »Ich versichere Ihnen hiermit, dass ich genau das tun werde, wenn Sie noch einmal hereinkommen.«
Das Mädchen stöhnte leise, dann knickste es und ging. Als sich die Tür geschlossen hatte, versank das Zimmer wieder in Dunkelheit.
Gwen schwankte unentschlossen. Sie hatte keineswegs das Bedürfnis, irgendetwas zu tun. Ihr ganzer Körper schmerzte. Aber sie glaubte auch nicht, dass sie jetzt wieder einschlafen könnte.
Sie ging zum Fenster und zog die Vorhänge auf.
Überrascht hielt sie den Atem an. Stücke eines hellblauen Himmels schimmerten durch das grüne Laub, das die Fensterscheibe streifte. Es war noch immer heller Tag! Wie war das möglich? Es fühlte sich an, als läge das schreckliche Ereignis schon Jahre zurück.
Ungläubig blickte sie zu der Uhr auf dem Kaminsims. Erst Viertel nach fünf! Um diese Zeit spazierten die Menschen noch durch den Park! Sie hatten ihren Nachmittagstee noch nicht getrunken, während sie bereits aufgestanden war, gefrühstückt hatte, fast geheiratet hätte, sich in
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