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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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gewesen, die sie an ihre Tochter weitergegeben hatten. Ein Mädchen, das eine so große Mitgift wie Gwen mitbrachte, musste gemeinsam mit gleichaltrigen Geschlechtsgenossinnen erzogen werden – mit den Töchtern der angesehensten und reichsten Mitglieder der feinen Gesellschaft. Aber in solchen Kreisen würde ein Mädchen aus Leeds, das mit einem unüberhörbaren Akzent sprach und ein eher rustikales Benehmen zeigte, niemals etwas erreichen können. Deshalb hatten ihre Eltern sie auf eine Schule geschickt, und nachdem sie gestorben waren, hatte Richard dem elterlichen Wunsch entsprochen und eine angesehene Familie gefunden, die Gwen erziehen und sie erfolgreich durch ihr gesellschaftliches Debüt führen sollte.
    Und sie
hatte
Erfolg gehabt. Großen Erfolg sogar! Um ihrer Eltern willen ebenso wie für sich selbst hatte sie ihr Bestes gegeben und auf jede erdenkliche Weise triumphiert.
    Auf jede … bis auf eine.
    Ein Lachen, das wie ein Keuchen klang, entrang sich ihr. Nur eines hatte sich beharrlich ihrer Kontrolle entzogen. Und Thomas war ihr als eine so sichere Wahl vorgekommen! Ganz und gar Gentleman, so verlässlich, so … verzweifelt. Oh, dieses Ungeheuer! Sein Anblick, wie er mit großen Schritten vom Altar davongelaufen war, hatte sich in ihre Erinnerung eingebrannt; in ihrem Halbschlaf hatte sie dieses Bild wieder und wieder vor sich gesehen, quälend wie eine Melodie, die einem nicht mehr aus dem Kopf ging. Thomas hatte sie doch geliebt, oder? Sie hatte darum gebetet, dass es so wäre, hatte aber schon befürchtet, dass er ihr Geld noch mehr liebte. Und am Ende – wie seltsam! – hatte sich keine dieser beiden Überlegungen als richtig erwiesen.
    Drei Millionen Pfund hatte er am Altar stehen lassen! Es war mehr als ein Vermögen. Und er war
völlig pleite!
Was könnte er mehr von einer Frau verlangen?
    Es war sehr schwer, nicht zu glauben, dass etwas mit ihr nicht stimmte.
    Eine flüchtige Bewegung erregte ihre Aufmerksamkeit. Es war ihr Spiegelbild gewesen war, als sie die Faust gegen den Mund gepresst hatte. Herrje, sie sah wie eine Wahnsinnige aus – das Haar wirr, die Augen weit aufgerissen und mit wildem Blick, ihr schlichtes grünes Morgenkleid zerknittert und faltig.
    Gwen ließ die Faust sinken und zwang ihre Aufmerksamkeit zurück auf den Brief.
    Natürlich muss ich Ihre Freundlichkeit nicht erwähnen. Ihre Mildtätigkeit gegenüber den Waisen ist legendär; Sie sind eine enge Freundin all derer, die das Glück haben, Sie zu kennen. Jeder in der Stadt lobt Ihre unbeirrbare moralische Gradlinigkeit und Ihr unerschütterlich heiteres Naturell. Selbst die boshaften Kolumnisten können keinen Fehl an Ihnen finden.
    Eine heftige Gefühlsaufwallung schnürte Gwen die Kehle zu. Ja, eine ganze Reihe von Journalisten hatte ihr in gedruckter Form bescheinigt, dass sie ein Vorbild war. Und wie würde man sie jetzt beschreiben? Nicht nur »schrecklich enttäuscht von dem verräterischen Lord T–«, sondern auch »abscheulich geschmäht von dem niederträchtigen Lord P–«. Ihretwegen würde den Kolumnisten womöglich die Druckerschwärze ausgehen. Oder die passenden Adjektive.
    Aber nein, dass ihnen die passenden Worte ausgingen, würde natürlich nicht passieren. Bemitleidenswert: Das würde das Wort sein, das sie verwenden würden. Es war die nächste Stufe nach »schrecklich enttäuscht« und ließ einen dauerhafteren Zustand ahnen.
Eine
zerbrochene Verlobung war doch schon schlimm.
Zwei
standen allerdings für beschädigte Ware.
    Gwen ließ den Brief zu Boden fallen. Er war anonym verfasst – was bedeutete er schon? Es war nur ein weiteres Stück Feigheit, das von noch so einem mittellosen Halunken stammen mochte.
    Männer! Sie hatten kein Rückgrat, einer wie der andere.
    Sie sprang auf und ging hin und her. Nun, sie hatte keine Verwendung für rückgratlose Hundesöhne. Genau genommen hatte
sie
Mitleid mit dem armen Mädchen, das Thomas bekommen würde. Dieses Mädchen würde für ihr Geld nicht den angemessenen Gegenwert bekommen! Wenn Gwen an all das Störende dachte, das sie in der Zeit seiner Werbung um sie hatte schlucken müssen: seine Gewohnheit, Ladys auf den Busen zu starren – was für einen Mann natürlich war, wie Elma ihr erklärt hatte; seine abscheuliche Vorliebe für anzügliche Wortspiele, von denen sie sich selbst eingeredet hatte, sie fände sie amüsant; sein Hang zum Spielen, obwohl das Dach seines Landsitzes eingestürzt war, weil das Geld für Reparaturen fehlte; sein

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