Sudelbücher: Ausgesucht feine Texte mit Biss (German Edition)
glauben können, dass es solche Länder gäbe? [D 77]
Was heißt schwätzen? Schwätzen heißt mit einer unbeschreiblichen Geschäftigkeit von den gemeinsten Dingen, die entweder schon jedermann weiß oder nicht wissen will, so weitläufig sprechen, dass darüber niemand zum Wort kommen kann und jedermann Zeit und Weile lang wird. Die deutsche Sprache ist sehr arm an Wörtern für Handlungen, die sich so zu andern Handlungen des vernünftigen Mannes verhalten wie Geschwätz zur zweckmäßigsten vernünftigen Unterredung. So fehlt es uns an einem Wort für rechnen. [D 79]
Die Komödie bessert nicht unmittelbar, vielleicht auch die Satire nicht, ich meine, man legt die Laster nicht ab, die sie lächerlich macht. Aber das können sie tun, sie vergrößern unsern Gesichtskreis, vermehren die Anzahl der festen Punkte, aus denen wir uns in allen Vorfällen des Lebens geschwinder orientieren können. [D 80]
Auch ich bin erwacht, Freund, und zu dem Grad der philosophischen Besonnenheit gekommen, wo Liebe zur Wahrheit die einzige Führerin ist, wo ich allem, was ich für Irrtum halte, mit dem mir verliehenen Licht entgegengehe, ohne grade laut zu sagen, das halte ich für Irrtum, und noch weniger, das ist Irrtum. [D 83]
Das Erheben in den Bürgerstand. [D 87]
Eine Vergleichung zwischen dem, was man denkt, und dem, was man sagt, anzustellen. Man kann es sagen, ohne deswegen den Staupbesen zu fürchten, dass die Hälfte der Einwohner den Staupbesen bekommen würden, wenn sie öffentlich sagten, was sie denken, und doch ist der Mensch das, was denkt, und nicht das, was sagt. Zwo Personen, die sich einander komplimentieren, würden einander an den Köpfen kriegen, wenn sie wüssten, was sie voneinander denken. [D 88]
Ein Mensch wählet sich ein Thema, beleuchtet es mit seinem Lichtchen, so gut er’s hat, und schreibt alsdann in einem gewissen erträglichen Modestil seine Alltags-Bemerkungen, was jeder Sekundaner auch sehen, aber nicht so festlich hätte sagen können. Für diese Art zu schreiben, welches die Lieblingsart der mittelmäßigen und untermittelmäßigen Köpfe ist, wovon es in allen Ländern wimmelt, in welchen die Magazin-Satiren gemeiniglich geschrieben sind, habe ich kein besseres Wort als Kandidaten-Prose finden können. Er führt höchstens das aus, was die Vernünftigen schon bei dem bloßen Wort gedacht haben. [D 89]
Das, was man tun muss, um wie Shakespeare schreiben zu lernen, liegt viel weiter ab als die Lesung desselben. [D 91]
Ich muss ihn irgendwo einmal ans Kümmel-Eckchen gestoßen haben. [D 92]
Der Gedanke hat in dem Ausdruck noch zu viel Spielraum, ich habe mit dem Stockknopf hingewiesen, wo ich mit der Nadelspitze hätte hinweisen sollen. [D 94]
Wie und unter welcher Gestalt zeiget sich diese Eigenschaft bei andern ähnlichen und verwandten Dingen? [D 95]
Er hielt sich ein Zettelchen, auf welches er gewöhnlich schrieb, was er für eine besondere ihm von Gott erwiesene Gnade ansah und was sich gar nicht anders erklären ließ. Bei seinem inbrünstigsten Gebet sagte er zuweilen, o lieber Gott etwas aufs Zettelchen. Solche Ausdrücke, Ausbrüche der empfindlichsten Seelen, sind gleichsam Vertrauens-Geheimnisse zwischen Gott und der Seele. [D 99]
Immer eine Spanne weiter. Gut, noch besser. Neu, noch neuer. Immer etwas dazu?? [D 100]
Eine Vorrede könnte Fliegenwedel betitelt werden und eine Dedikation Klingelbeutel. [D 103]
Die Zeitungsschreiber haben sich ein hölzernes Kapellchen erbaut, das sie auch den Tempel des Ruhms nennen, worin sie den ganzen Tag Porträte anschlagen und abnehmen und ein Gehämmer machen, dass man sein eignes Wort nicht hört. [D 106]
Wenn du in einer gewissen Art von Schriften groß werden willst, so lese mehr als die Schriften dieser Art. Wenn du auch schon nicht deine Äste über ein großes Stück Feld ausbreiten willst, so ist es deiner Fruchtbarkeit immer zuträglich, deine Wurzeln weit ausgebreitet zu haben. Ein bloßer Leser des Wieland wird nie ein Wieland werden. Ich glaube Wieland nähme es wohl selbst über sich, für die Wahrheit dieses Satzes Bürge zu werden. [D 108]
Armer Teufel, wo du jetzt bist, da bin ich längst gewesen. [D 109]
Was werden die künftigen Zeiten nicht noch entdecken? O hätten doch die unsrigen über manche Dinge so klug räsoniert, als Seneca über die Kometen! [D 111]
Man darf nur bedenken, oder wenn dieses zu weitläufig sein sollte, nur als schon von andern bedacht annehmen, dass pp. [D 115]
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