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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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gesagt, war ich nicht überrascht.
    Ein Jahr zuvor hatte ich bei meinen Recherchen für einen Artikel über die HIV-Epidemie, die unter den ausländischen Prostituierten der Stadt grassierte, einen beunruhigenden Hinweis erhalten. Offenbar nahmen einige Polizeibeamte, die eigentlich die kriminellen Ringe hinter den örtlichen Bordellen sprengen sollten, die Dienste der dort beschäftigten Frauen in Anspruch. Als einer der Cops, ein gewisser Timothy Aravelo, erfuhr, dass er sich möglicherweise selbst mit dem Virus infiziert hatte, schlug er eine zwanzigjährige malaysische Prostituierte mit dem Griff seiner Taschenlampe nieder. Dafür wurde er zusammen mit zwei Kollegen verurteilt.
    Offiziell wurde ich von verschiedenen Polizeibeamten für meine Arbeit belobigt, wie es politisch korrekt war. Inoffiziell wurde mir vorgeworfen, die privaten Probleme eines einzigen korrupten Cops zu einem Kreuzzug aufgebauscht zu haben. Ich galt als Sensationsjournalist, der nur auf Effekthascherei aus war.
    »Keine erkennbaren Knochenbrüche, eine Verletzung an der Stirn, Abschürfungen an Knie, Ellbogen und Händen. Wie es bei einem heftigen Sturz zu erwarten ist«, sagte der Sanitäter.
    »Sie haben das Richtige getan«, meinte Danny Weller.

    Der Sanitäter fühlte sich angesprochen, aber mir war klar, dass Weller mich gemeint hatte.
    »Danke«, erwiderte ich. »Hören Sie, Officer, irgendwas stimmt da nicht. Eine ganz merkwürdige Sache und …«
    Weller schnitt mir das Wort ab. »Wir befragen alle, die sich in der Umgebung aufgehalten haben, solange die Eindrücke noch frisch sind. Sie sind der Nächste.«
    Er gab mir die Hand, um mir aufzuhelfen. Dabei beugte er sich dicht zu mir. »Normalerweise stellt Lieutenant Aravelo ein paar freundliche Fragen und entlässt die Leute mit einem Klaps auf den Rücken. Ich hoffe, Sie bekommen keine Sonderbehandlung.«

2
    Die Polizei hatte in einem Zeltpavillon vor der Kuma-Sushi-Bar eine provisorische Einsatzzentrale eingerichtet.
    Die Gesetzeshüter und vor allem das Militär sind berüchtigt für ihre Zerstörungswut, der gelegentlich Eingangstüren, Häuser, ja ganze Dörfer zum Opfer fallen. Ich dagegen bewundere sie als ausgezeichnete Baumeister. Drücken Sie einem Trupp Männer in Tarnuniform Schaufeln, Stangen und Zeltplanen für Dächer und Seitenwände in die Hand, und sie errichten Ihnen innerhalb einer Stunde eine komplette Zeltstadt einschließlich der entsprechenden Sanitäreinrichtungen.
    Danny Weller hatte mich zur Einsatzzentrale gebracht. »Warten Sie hier.« Damit ließ er mich vor dem gelben Absperrband stehen, mit dem das Zelt gesichert war, und ging allein weiter. Wahrscheinlich um drinnen zu melden, dass der nächste Kandidat für die Befragung eingetroffen war. Mir fiel ein, wie mein Friseur die Präsidentenwahl von 1996 ausschließlich anhand von Doles und Clintons Haarschnitt analysiert hatte. Wir können nicht anders, wir sehen die Welt durch die Brille unserer täglichen Arbeit. Obwohl ich fast in die Luft gesprengt worden und nur knapp mit dem Leben
davongekommen war, konnte ich nicht aus meiner Haut als Journalist. Überall entdeckte ich Stoff für Storys. Da war zum Beispiel der Junge in dem zerfetzten, überlangen Hemd, auf dessen Rückseite ein Schlagzeug spielender Frosch prangte. Er tröstete seine weinende Mutter, wo es doch eigentlich umgekehrt hätte sein sollen.
    »Gehen wir.« Weller führte mich durch eine Lücke im Absperrband. »Der Lieutenant ist so weit.«
    Im Inneren des Zelts herrschte hektische Betriebsamkeit. Ein halbes Dutzend Cops war mit den verschiedensten Tätigkeiten beschäftigt. Polizisten brüllten Befehle in Walkie-Talkies, ein Beamter tippte etwas in einen Laptop ein, ein weiterer installierte ein professionell wirkendes Funkgerät. Allen war die intensive Konzentration anzumerken. Es war der Augenblick, für den diese Männer und Frauen ausgebildet worden waren, und sie begegneten ihm mit Autorität und Entschlossenheit.
    Weller nahm mich am Ellbogen und bugsierte mich in eine Ecke des Zelts. »Ich habe ihm gesagt, wer Sie sind, und ihn darauf hingewiesen, dass Sie ziemlich mitgenommen wirken«, flüsterte er mir zu. »Ob das was geholfen hat, weiß ich nicht. Er kann ein wenig nachtragend sein.«
    Und ein wenig zu groß geraten, wie sich herausstellen sollte.
    Die Aravelos sahen aus, als hätte sich ihre Mutter mit einem Berg eingelassen. Schwere Knochen, massiger Brustkorb und die starken, fleischigen Hände, die einen Politiker

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